Tödliche Beute
hinter ihm geschlossen hatten, zog Therri den Schlüssel wieder ab, lief ein Stück den Flur hinunter und klopfte an der Tür eines anderen Zimmers. Marcus Ryan öffnete ihr. Als er ihre angespannte Miene sah, verschwand sein Lächeln. »Alles okay?«, fragte er besorgt. »Du siehst ein wenig blass aus.«
»Nichts, was sich nicht mit etwas Make-up wieder beheben ließe.« Sie schob sich an ihm vorbei und streckte sich auf dem Sofa aus. »Besorg mir eine Tasse starken Tee und setz dich, dann erzähl ich dir alles.«
Er nahm Platz, und Therri schilderte ihm den Überfall und die Rettung.
Ryan hörte aufmerksam zu, legte die Fingerspitzen aneinander und starrte ins Leere. »Austin hat Recht. Es ist
Oceanus
. Ich bin mir
sicher
.«
»Ich auch. Was unsere Retter angeht, bin ich leider überfragt.«
»Austin wusste nicht, wer die gewesen sind?«
Sie schüttelte den Kopf. »Angeblich nicht.«
»Hat er die Wahrheit gesagt?«
»Eventuell hat er einen Verdacht, aber ich habe nicht weiter nachgehakt. Kurt kommt mir nicht wie ein Lügner vor.«
»Sieh an, sieh an, meine knallharte Rechtsberaterin hat also doch ein weiches Herz. Du magst ihn, nicht wahr?«, fragte Ryan mit listigem Grinsen.
»Das will ich gar nicht leugnen. Er ist … anders.«
»Ich bin ebenfalls anders, das musst du zugeben.«
»Allerdings«, sagte sie lächelnd. »Deshalb sind wir auch nur Kollegen und kein Liebespaar.«
Ryan seufzte theatralisch. »Ich schätze, ich bin auf ewig dazu verdammt, Brautjungfer zu sein, niemals Braut.«
»Du würdest eine scheußliche Braut abgeben. Außerdem hattest du deine Chance. Wie du dich vielleicht erinnerst, war ich nicht gewillt, hinter den SOS die zweite Geige zu spielen.«
»Ich mache dir keinen Vorwurf. Wenn es um die Sentinels geht, werde ich zu einer Art Kriegermönch.«
»Blödsinn! Komm mir nicht mit diesem Mönchskram.
Zufällig weiß ich, dass du in jedem Hafen eine Freundin hast.«
»Aber Therri, sogar ein Mönch muss hin und wieder das Kloster verlassen und ordentlich auf den Putz hauen.
Sprechen wir lieber über deine fesselnde Beziehung zu Austin.
Glaubst du, er ist deinem Charme weit genug erlegen, dass du ihn um den Finger wickeln kannst?«
»Ich habe nicht den Eindruck, dass Kurt sich von
irgend
wem um den Finger wickeln lässt.« Ihre Augen verengten sich. »Was geht in diesem Wirrwarr aus Plänen und Intrigen vor sich, das du einen Verstand nennst?«
»Bloß so eine Idee. Ich möchte gern die NUMA auf unsere Seite ziehen. Wenn wir uns mit Oceanus anlegen wollen, brauchen wir einflussreiche Unterstützung.«
»Und falls die NUMA uns nicht helfen will?«
Er zuckte die Achseln. »Dann müssen wir es eben allein versuchen.«
Therri schüttelte den Kopf. »Das ist eine Nummer zu groß für uns. Es geht hier nicht um eine Straßenbande.
Diese Leute sind zu mächtig. Du hast selbst erlebt, wie einfach die unser Schiff sabotiert haben. Wenn sogar jemand wie Kurt Austin nervös wird, sollten wir uns umso mehr in Acht nehmen. Wir dürfen nicht noch weitere Leben riskieren.«
»Unterschätz die SOS nicht, Therri. Es kommt nicht nur auf die Muskelkraft an. Auch Wissen bedeutet Stärke.«
»Sprich nicht in Rätseln, Marcus.«
Er lächelte. »Wir haben vielleicht einen Trumpf im Ärmel. Gestern hat Josh Green angerufen. Er ist auf etwas Großes gestoßen. Es betrifft ein Oceanus-Projekt in Kanada.«
»Was für eine Art von Projekt?«
»Josh war sich nicht sicher. Ben Nighthawk hat ihn darauf gebracht.«
»Der College-Praktikant bei uns im Büro?«
Ryan nickte. »Wie du weißt, ist Nighthawk ein kanadischer Indianer. Seine Familie in den North Woods hat ihm seit einiger Zeit seltsame Briefe geschrieben. In der Nähe ihres Dorfes wurde ein großes Stück Land aufgekauft. Um Ben einen Gefallen zu tun, hat Josh sich die Käufer mal näher angesehen. Das Land wurde von einer Tarnfirma erworben, hinter der in Wahrheit Oceanus steckt.«
Vor lauter Aufregung schob Therri alle Bedenken beiseite. »Das könnte die Spur sein, nach der wir gesucht haben.«
»Ganz genau. Ich war der gleichen Meinung. Und daher habe ich Josh gesagt, er soll einen Blick darauf werfen.«
»Du hast ihn allein dorthin geschickt?«
»Als er anrief, war er bereits nach Kanada unterwegs, um sich mit Ben zu treffen. Nighthawk kennt die Gegend.
Keine Angst. Die beiden werden schon auf sich aufpassen.«
Therri biss sich auf die Unterlippe und dachte an den brutalen Überfall in der ruhigen Kopenhagener Nebenstraße
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