Tödliche Beute
Gebiet bezeichnen. Soweit ich es verstanden habe, reichert man Fischeier mit fremden Genen an, um das Wachstum zu beschleunigen.«
»Korrekt. Das Genmaterial stammt von anderen Spezies, sogar von Insekten oder Menschen.«
»Menschen?«
»Ich benutze bei meinen Experimenten keinerlei menschliche Gene. Es verstößt gegen meine ethischen Prinzipien. Auch die auf diesem Forschungsgebiet höchst aktiven Chinesen stimmen in dem Punkt mit mir überein.«
»Wie wirken die Gene sich aus?«
»Sie sorgen für einen ungewöhnlich hohen Anstieg der Wachstumshormone und stimulieren die Fressgier. Ich habe in Vancouver gemeinsam mit dem Labor der Bundesfischereibehörde an transgenen Fischen gearbeitet.
Die Lachse dort werden zwanzigmal am Tag gefüttert.
Das ist unbedingt notwendig, denn diese Tiere sind darauf programmiert, im ersten Jahr achtmal schneller als normal und bis zur vierzigfachen Größe anzuwachsen. Sie können sich vorstellen, welche segensreichen Auswirkungen das für einen Fischzüchter hätte. Er könnte in einem Bruchteil der Zeit wesentlich fettere Ware großziehen.«
»Und so einen entsprechend fetteren Profit erzielen.«
»Mit Sicherheit. Die Befürworter einer Markteinführung reden von der ›Blauen Revolution‹. Sie geben zu, dass sie gern mehr Geld verdienen würden, führen aber auch uneigennützige Motive an. Genmanipulierter Fisch würde für die ärmeren Nationen dieser Welt eine billige und reichhaltige Nahrungsquelle darstellen.«
»Ich glaube, die gleichen Argumente wurden auch schon für genmanipulierte Feldfrüchte geltend gemacht«, sagte Gamay.
»Mit gutem Grund. Gentechnisch modifizierter Fisch wäre nur die logische Folge eines allgemeinen Trends.
Wenn man Getreide verändern kann, warum nicht auch höhere Lebewesen? Allerdings wird es diesmal vermutlich weitaus kontroverser zugehen. Die Proteste haben bereits begonnen. Die Gegner führen an, transgener Fisch könne die normalen Bestände ausrotten und so nicht nur zu einem Ungleichgewicht der Natur führen, sondern auch die kleinen Fischer arbeitslos machen. Sie bezeichnen diese Laborzüchtungen als ›Frankenfische‹.«
»Ein eingängiger Begriff«, sagte Paul, der dem Gespräch interessiert gefolgt war. »Leider nicht sehr verkaufsfördernd, fürchte ich.«
»Wie stehen Sie zu dem Thema?«, fragte Gamay.
»Da ich manche dieser Fische erschaffen habe, fühle ich mich in besonderer Weise verantwortlich. Ich möchte erst weitere Forschungsergebnisse abwarten, bevor wir anfangen, die Tiere kommerziell zu züchten. Es beunruhigt mich, dass viele Leute auf eine möglichst schnelle Vermarktung drängen. Wir benötigen eine umfassende Bewertung aller Risiken, sonst lösen wir womöglich eine Katastrophe aus.«
»Sie klingen sehr besorgt«, sagte Gamay.
»Am meisten macht mir zu schaffen, was ich alles
nicht
weiß. Die Angelegenheit läuft zunehmend aus dem Ruder.
Zahllose Firmen bemühen sich, mit eigenen Fischen auf den Markt zu kommen. Außer an Lachsen wird noch an mehr als zwanzig anderen Arten geforscht. Das Potenzial ist enorm, wenngleich einige Fischzüchter aufgrund der öffentlichen Debatte lieber auf Genmanipulationen verzichten wollen. Aber es treten immer mehr große Konzerne auf den Plan. In Kanada und den Vereinigten Staaten wurden Dutzende von gentechnischen Veränderungen zum Patent angemeldet.«
»Ein solcher Wirtschafts- und Wissenschaftsmoloch lässt sich schwer aufhalten, wenn er sich erst mal in Bewegung gesetzt hat.«
»Ich komme mir wie Don Quichotte im Angesicht der Windmühlen vor.« Die Frustration war ihm deutlich anzuhören. »Es geht um Milliarden von Dollar, und der Druck ist entsprechend hoch. Deshalb finanziert die kanadische Regierung überhaupt erst diesen Forschungsbereich. Man will nicht, dass ein anderer uns zuvorkommt. Wir wollen bereit sein, wenn der Damm bricht.«
»Falls tatsächlich dermaßen viel Geld und Druck im Spiel ist, wodurch wird die Flut dann noch zurückgehalten?«
»Durch die möglichen Imageschäden. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Eine Firma namens King Salmon, beheimatet in Neuseeland, hat an genmanipuliertem Fisch gearbeitet, aber es sickerten Gerüchte über zweiköpfige und mit Geschwülsten übersäte Scheusale durch, und die Presse heizte die öffentliche Meinung daraufhin bis zur Raserei an. King musste die Experimente einstellen und sämtliches Material vernichten, weil die Leute Angst hatten, diese Frankenfische könnten in die Natur entkommen und
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