Tödliche Ernte
lassen.«
Ich fühlte mich total mies.
Um Mrs Cheadle zu sehen, musste ich an Bones vorbeikommen. Die fbi -Agenten waren sicher nicht das Problem. Ich würde ihnen einfach sagen, dass ich Laurias Assistentin war. Ich vergaß auch nicht, meinen üblichen Gang zu verändern und stöckelte entschlossen an dem Zimmer vorbei, in dem Bones üblicherweise saß.
Bis auf einen älteren Mann, der den Herald las, war das Zimmer leer. Wo war Bones? Essen? Pinkeln? Und wo waren die Leute vom fbi ?
Ich betrat die Intensivstation. Ich war nicht überrascht, als niemand aufsah. Ich ging zu dem runden Empfang und räusperte mich.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Schwester.
Mein Mund klappte auf, ein Alarm ging los, und sie sagte: »Entschuldigen Sie mich«. Klinikpersonal stürzte zu einem der Zimmer. Ich sauste zu Mrs Cheadle.
Sie lag mit offenen Augen im Bett und starrte an die Decke. Jemand hatte ihre langen weißen Haare gewaschen und gebürstet, und jetzt glänzten sie.
»Mrs Cheadle?«
Langsam wandte sie mir den Kopf zu, doch ihr Blick erfasste mich nicht wirklich. »Ja?«
Ich zog mir einen Stuhl heran und küsste sie auf die Wange. »Hi«, flüsterte ich. »Ich bin’s, Tally.«
Ihre Augen wurden feucht, dann rannen Tränen über ihre Wangen. »Tally?«
Auch meine Augen brannten. Das fehlte noch. »Ich bin verkleidet und inkognito hier. Sie dürfen niemandem sagen, dass Sie mich gesehen haben.«
»Ah.« Sie schenkte mir ein verschwörerisches Lächeln. »Wie aufregend.«
»Wie fühlen Sie sich?«
Ihre Lippen zitterten. »Als hätte mir eine Kuh einen Tritt versetzt.«
»Das wird schon wieder. Sie werden sehen.«
Sie tätschelte meine Hand. »Aber sicher doch.«
Ich drückte sie. Die Schläuche, die sich in ihren Körper schlängelten, waren mir nur zu bewusst. »Kann ich etwas für Sie tun? Ihnen etwas besorgen?«
Ihre Stimme war ganz rau, weil sie so lange nicht gesprochen hatte. »Ich bin versorgt. Aber wie geht es meinen Kätzchen?«
»Bestens. Ehrenwort.« Sie lächelte, während ich in allen Einzelheiten von jeder Katze erzählte.
Eine Schwester steckte den Kopf zur Tür herein. »Sie sind, Ma’am?«
»Eine Nichte dritten Grades von Mrs Cheadle«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen.
»So, so.« Die Schwester lächelte. »Na dann, schönen Aufenthalt.«
»Na, Sie sind mir ja eine«, flüsterte Mrs Cheadle. »Zu behaupten, Sie wären meine Nichte.«
Es freute mich, dass Mrs Cheadle so rege wie immer zu sein schien. Ihr Lider wurden schwer.
Obwohl sie ihn zu genießen schien, war mein Besuch doch ermüdend für sie. »Ich muss Sie etwas wegen Della fragen.«
»Ich habe von Della geträumt«, sagte sie. »Und von Chesa. Und noch viel mehr.«
Ich streichelte ihre Hand. »Hat Della in letzter Zeit wieder gemodelt? Für eine Zeitschrift vielleicht? Oder eine Zeitung?«
Sie kniff die Augen zu und schüttelte schließlich den Kopf.
»Ist schon gut. Wirklich. Danke, dass Sie es versucht haben.«
Sie schlug die Augen wieder auf. Sie leuchteten wissend. »Nicht gemodelt, meine Liebe, aber sie wurde für irgendeinen Artikel fotografiert. Das Ganze war Della ziemlich peinlich. Es ging dabei um die Obdachlosen. Könnte ich mich doch nur erinnern … letzten Sommer, glaube ich. Ich habe sie um ein Bild für meine Alben gebeten.« Sie schüttelte den Kopf und kniff die Lippen zusammen. »Hab es aber nie bekommen.«
Dieser Brief hatte sich nicht in den Erinnerungsalben befunden, als Reen und ich nachgesehen hatten. »Ich versuche, die Zeitschrift ausfindig zu machen. Wenn ich es schaffe, besorge ich Ihnen Dellas Foto. Können Sie sich noch an den Namen der Zeitschrift erinnern, die den Artikel gebracht hat?« Ich drückte die Daumen.
Mrs Cheadle legte eine Hand aufs Herz. Im Zimmer wurde es still, und das Ticken der Geräte klang laut und rhythmisch. Ihre Lider schlossen sich wieder.
Ich wartete, doch sie war eingeschlafen. Ich küsste sie auf die Wange und stand dann auf.
Ihre Augendeckel klappten auf. »Gehen Sie nicht.«
Lächelnd setzte ich mich wieder. »Ich dachte, Sie schlafen.«
»Das passiert hier leicht. Aber nein, ich habe nachgedacht. Die Zeitschrift hieß so ähnlich wie Camera Inside. Oder In Photo. Es liegt mir auf der Zunge.«
»Das haben Sie großartig gemacht. Wirklich wahr. Ich gehe jetzt besser. Oh, und Sie sehen blendend aus.«
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Auf dem Weg nach draußen stieß ich mit Bones zusammen, der mir prompt eine Pistole in die Rippen
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