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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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ich für meine »Kostümierung« erstanden hatte, waren grausam. Genau wie das Brustband.
    Ach, zum Teufel damit. Ich zog die Schuhe aus und trug sie in der Hand. Meine Füße atmeten auf. Was machten da schon ein paar hochgezogene Augenbrauen? Ich war schließlich eine Unbekannte aus Washington.
    Ich fühlte mich ziemlich gut. Ich hatte Gert, Veda, Andy sowie Donna und Mary und ein Reihe anderer Leute gesehen, die ich alle kannte. Keiner schien mich zu erkennen.
    »Hurra«, dachte ich. Just in diesem Moment kam Penny mit einem Spitzen-BH im Maul angetrottet.
    Himmel.
    Ein Geschenk für Mummy. Süß.
    Natürlich hatte Jake Penny mitgebracht, wie zu jeder seiner Ausstellungseröffnungen. Und natürlich erkannte sie mich.
    Lauria war auf der Toilette, Jake bezirzte eine mit Klunkern behangene Kunstmäzenin, und ich saß fest und tat so, als würde ich meinen eigenen Hund nicht kennen, dessen Schwanz gegen andere Gäste peitschte, als er mir stolz den entwendeten BH präsentierte.
    Wenn ich wegging, würde Penny mir folgen. Wenn ich versuchte, ihr das Ding aus dem Maul zu ziehen, würde sie auch ziehen – und es als Spiel ansehen.
    Ich wich nach links aus und steuerte den Napf mit Leckerlis an, den Jake normalerweise immer neben dem zentralen Ausstellungsstück aufstellte. Jake hat einen großartigen Sinn für Humor.
    Ich war gerade dort angelangt, als Lauria zurückkam, Penny entdeckte und blass wurde.
    »Lassen Sie sie«, sagte ich. »Glauben Sie mir, Sie machen alles nur schlimmer, wenn Sie versuchen, Penny wegzuziehen. Dann knurrt sie und macht Theater, und dann blicken alle zu uns.« Ich bot Penny den Hundekräcker an.
    Penny untersuchte ihn, schnüffelte daran und ließ dann widerstrebend den BH in meine wartende Hand fallen, um sofort die Belohnung hinunterzuschlingen.
    David Copperfield hatte es sicher leichter als ich.
    »Miss Nash!«
    Hastig stopfte ich den hauchzarten BH in den Schuh, den ich in der Hand hielt.
    »Miss Nash«, sagte Jake und grinste. Ich hätte schwören können, dass er alles beobachtet hatte.
    Laurias Gesicht sprach Bände, als Jake ihr die Hand schüttelte.
    »Officer Lauria«, strahlte er.
    »Sie ist sogar Special Agent«, flüsterte ich ihm zu.
    »Haben Sie schon gesehen, worum sich der ganze Zirkus hier dreht?«, meinte er und deutete auf die zentrale Skulptur, die hinter einer Menschentraube verborgen war.
    »Ich fürchte nein, Mr Beal«, sagte ich.
    Er hakte sich bei mir unter und bahnte sich dann einen Weg durch die »Oooh« und »Aaah« rufenden Leute. Lauria folgte uns. Ich konnte erkennen, dass sie sauer war.
    Es war mir egal. Jakes Skulptur verdrängte jeden anderen Gedanken aus meinem Kopf.
    Die Büste war etwa zweimal so groß wie ein menschlicher Kopf. Sie war aus Stahl, Redwood-Holz und Ebenholz gemacht und stellte eine Frau dar. Frauen, um genau zu sein. »Sie« nahm mir den Atem.
    Ich fuhr mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Es war glatt und kühl. Meine Hand strich über Kinn, Nase, Augen und Haar.
    Das war ich und doch nicht ich.
    Die Nase und die rechte Gesichtshälfte waren von mir, doch die linke Wange und die Stirn gehörten zu Nola, Jakes Schwester. Das Kinn gehörte Jakes Mutter.
    Das ebenholzfarbene Haar … Eine Minute lang sah ich sie – sah Reen in all ihrer Schönheit. Ich durfte mir nichts anmerken lassen. Nicht hier und nicht jetzt.
    »Ich habe Reens Haar für dich gemacht«, flüsterte er. »In allerletzter Minute.«
    Ich streichelte über den Wasserfall aus Ebenholz. »Danke für dein Verständnis.«
    »Ich habe seit nunmehr zwei Jahren immer wieder an ihr gearbeitet.«
    Die Arbeit war wunderbar. »Die musst du unbedingt behalten«, stammelte ich schließlich und versuchte, unbeschwert zu klingen.
    »Sie gehört dir«, entgegnete er.
    »Aber Jake, das geht doch nicht. Sie ist einhunderttausend Dollar wert …«
    »Dir.«
    Der Titel, der in eine Messingplatte auf dem Sockel geritzt war, lautete »Geliebte«.
    Oh. Ich konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Sie war nicht schön. Nicht im herkömmlichen Sinn. Und doch bildeten die einzelnen Teile ein Ganzes, das den Betrachter mit enormer Kraft anzog.
    Ein Schock durchfuhr mich. »Jake, hat schon jemand versucht, die Skulptur zu kaufen?«
    »Klar. Ist aber unverkäuflich.«
    »Und niemand hat sie vor heute Abend gesehen?«
    Er blies die Wangen auf. »Nein.«
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich tausend Mal, als ich mich durch die Menge drängelte, verzweifelt auf der Suche nach frischer Luft und

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