Tödliche Ewigkeit
rannte los. Der Mörder hatte rund fünfzig Meter Vorsprung. Doch Mulligan war schnell. Vor allem konnte er ausdauernd laufen. Wenn er einmal in Fahrt kam, wurde er auch nicht so rasch müde. Es war, als würde sein Körper alle Zeichen der Erschöpfung leugnen und wäre bereit, sämtliche Energiereserven auszuschöpfen, bis er tot zusammenbrach. Im Grunde war es diese Leere, die er suchte: Jeff träumte davon, in Aktion zu sterben.
Der Mann bog ab, und der Sergeant verlor ihn erneut aus dem Blickfeld. Jeff legte noch einen Zahn zu, rempelte Passanten an und sah den Mann wieder vor sich. Der Mörder überquerte die 110th Street. Jeff blieb ihm auf den Fersen. Beinahe hätte ihn ein Auto angefahren, doch das bemerkte er kaum. Er folgte seiner Beute in den Central Park.
Der Typ hatte ihm einen großen Gefallen getan, als er Fletcher abknallte. Jetzt versuchte der Kerl ihn abzuhängen, indem er durch das Gebüsch rannte. Doch Jeff holte auf. Ihn interessierten nicht die kleinen Würstchen. Auch Lombardi war nur ein Auftragskiller. Der Mann, dem Jeff in die Augen sehen wollte, war der Drahtzieher, der Lucie Miltons Ermordung angeordnet hatte. Und dieser Killer hier würde ihn direkt zu ihm bringen. Er hatte nur noch rund zehn Meter Vorsprung. Ein großer, massiger Kerl, der zu viel auf den Rippen hatte, um dieses Tempo lange durchzuhalten. Plötzlich drehte er sich um, und im gleichen Augenblick rollte sich Jeff auf die Seite. Ein Schuss war gefallen. Sogleich sprang der Detective wieder auf, doch der Kerl hatte sich hinter einem Granitfelsen verschanzt und schoss erneut. Mulligan suchte Deckung hinter einem Baum und eröffnete seinerseits das Feuer. Eine Frau mit Kinderwagen schrie entsetzt auf, zwei Jogger duckten sich ins Gras.
Du entgehst mir nicht, dachte Jeff. Du wolltest meine einzige Spur zunichtemachen, jetzt wirst du mich eben zu deinem Auftraggeber bringen.
Der Schusswechsel brach ab.
Für einen kurzen Augenblick herrschte Totenstille. Die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern und waren davongeflogen. Die Spaziergänger, die sich einen Unterschlupf gesucht hatten, wagten sich nicht zu rühren. Nur ein Hund trottete unbeeindruckt vom Irrsinn der Menschen seelenruhig über den Weg.
Der Killer konnte nicht lange in seinem Versteck bleiben. Bestimmt hatten die Schüsse Jeffs Kollegen alarmiert, die in wenigen Minuten am Schauplatz eintreffen würden. Andererseits ahnte der Täter vermutlich, dass Mulligan nicht vorhatte, ihn zu erschießen, da er ja seinen besten Informanten erledigt hatte. Er würde also verzweifelt nach einem Ausweg suchen. Jeff ließ seine Blicke schweifen. Die Frau mit dem Kinderwagen hatte hinter einem anderen Felsen, rund zehn Meter vom Mörder entfernt, Schutz gesucht. Sie als Geisel zu nehmen war seine einzige Chance.
Jeff musste ihm zuvorkommen.
Er feuerte los und sprang mit einem Satz aus seinem Hinterhalt. Während er sich dem Versteck seines Widersachers näherte, sah er, wie dieser auf die junge Mutter zulief. Jeff legte an und drückte, auf die Beine zielend, ab. Der andere hielt abrupt inne und brach stöhnend am Boden zusammen. Keine Sekunde später lag Jeff auf ihm. Er nahm ihm die Waffe ab und drückte ihm mit einer Hand die Gurgel zu, während er ihm mit der anderen seine Ruger auf die Stirn presste. Er hatte ihn.
Er nahm sich etwas Zeit, seine Beute zu betrachten. Der Mörder war circa ein Meter achtzig groß und ein reines Muskelpaket. Sein zerfurchtes Gesicht, die glatten schwarzen Haare und sein Schnurrbärtchen verrieten seine südamerikanische Herkunft. Er hatte die Augen halb geschlossen, als würde er vor sich hindösen. Dann bewegten sich seine Lippen:
» Chinga tu madre, cabrón! «
Jeff war wie elektrisiert. Der Kerl hatte eine typisch mexikanische Beschimpfung gebraucht, die in ihm die Erinnerung an Wortgefechte unter den halbwüchsigen Einwandererkindern im Brooklyn seiner Jugend weckte. Für den Bruchteil einer Sekunde war er abgelenkt.
Und das machte sich der Killer zunutze.
Blitzschnell griff er nach Jeffs Waffe und zog derart heftig an seinem Arm, dass der sie losließ. Mit der linken Hand ging der Angreifer ihm an die Gurgel. Jeff hatte den Eindruck, er müsste mit seinen langen und kräftigen Fingern nur einmal zudrücken, um ihn zu erwürgen. Nach Luft schnappend sank er zu Boden, und schon lag der Mexikaner auf ihm. In seiner rechten Hand kam plötzlich ein langer Dolch zum Vorschein, der sich auf seine Brust herabsenkte. Jeff wollte ihn am
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