Tödliche Ewigkeit
Unterarm packen, doch er konnte die Bewegung nur verlangsamen. Als die Klinge noch etwa zehn Zentimeter vom Revers seiner Jacke entfernt war, hielt der Killer inne und sah ihm direkt in die Augen. Jeff mühte sich mit aller Kraft, das Messer wegzustoßen, doch vergeblich. Das Gesicht des Mexikaners ließ nicht die geringste Anstrengung erkennen. Er lächelte ihn fast freundlich an, aber seine Augen, in denen ein seltsames Funkeln aufflackerte, das aus den Tiefen der Hölle zu kommen schien, waren so kalt wie die eines toten Fisches.
»Sag adios , du Schwein …«
Die Klinge schwebte genau über seinem Herzen. Sein Gegner schien nahezu übermenschliche Kräfte zu besitzen.
Jeff wusste, dass er nun sterben würde.
Alles verlief mit einem Mal wie in Zeitlupe. Die Sekunden schienen sich auszudehnen. Etwas tief in seinem Innern ließ vollkommen los. Er fühlte sich gut. Nicht nur, dass er sich damit abfand. Diesen letzten Moment vor dem großen Sprung ins Nichts hätte Jeff gerne ganz bewusst ausgekostet. Die Welt war absurd, das Leben ein Irrtum. Seit dem Tod seiner Mutter hatte er nie wieder Angst gehabt. Jetzt, da die Erlösung nahe war, verspürte er Neugier. Wie lange wäre er bei Bewusstsein, bevor es endgültig mit ihm zu Ende ging? Würde der Tod am Ende noch ein allerletztes Geheimnis für ihn bereithalten? Jeff war in seinem ganzen Leben niemals glücklich gewesen, doch was er nun empfand, kam diesem Zustand vielleicht sehr nahe.
Der Mexikaner stieß zu.
Genau in diesem Moment stieg aus den Tiefen seines Unterbewusstseins eine neue und völlig unerwartete Energie in ihm empor.
Lucie.
Sie wollte nicht, dass er starb.
Sie brauchte ihn doch, hier.
Da wich sein Körper instinktiv dem Dolchstoß aus. Damit hatte der Killer nicht gerechnet. Jeff lenkte die Waffe in Richtung Gras und verpasste seinem Angreifer einen gezielten Kinnhaken, der diesem allerdings nicht das Geringste anzuhaben schien. Anders der gleich darauffolgende Schlag gegen seinen Kehlkopf: Der Mexikaner ließ die Waffe fallen, was Jeff eine kurze Verschnaufpause einbrachte. Doch sein Gegner hatte sich schon wieder gefangen. Seine Kraftreserven schienen unerschöpflich. Aber Jeffs plötzlicher Wunsch, am Leben zu bleiben, gab dem Kampf die entscheidende Wendung.
Unerwartet ertönte ein schroffer Befehl. Der Mexikaner sprang sofort auf. Zwei Streifenpolizisten hielten keine zehn Meter von ihnen entfernt ihre Revolver auf sie gerichtet. Ein weiteres Einsatzteam eilte von der anderen Seite herbei. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, zog der Mexikaner seine Pistole und streckte einen der beiden Männer nieder. Sein Kollege schoss augenblicklich zurück und traf ihn an der linken Schulter. Der Killer wollte erneut feuern, doch Jeff stieß seinen Arm zur Seite und schlug ihm mit voller Wucht auf die Schläfe. Ungerührt konterte der Mann mit einem Hieb seines Ellenbogens, der den Sergeant an der Stirn traf. Benommen ließ Jeff ihn los. Der Mexikaner eröffnete erneut das Feuer, um die zweite Patrouille auf Abstand zu halten, und ergriff die Flucht. Der Polizist, der ihm am nächsten war, schoss zurück, verfehlte ihn aber. Als Jeff sich endlich wieder aufrappeln konnte, war sein Gegner schon in weiter Ferne.
»Lassen Sie alle Parkausgänge schließen«, befahl er, während er dem Kollegen seine Dienstmarke zeigte.
Dieser schien unter Schock zu stehen.
»Ich habe ihn getroffen. Ich bin sicher, dass ich ihn getroffen habe.«
»Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe!«
Der Mann zuckte zusammen und schien sich wieder zu fassen. Er holte sein Handy heraus und rief die Zentrale an.
Jeff ging auf den am Boden liegenden Polizisten zu. Er war tot.
Sein Mörder war geflohen. Er hatte eine Kugel im Schenkel, eine andere in der Schulter. Vermutlich hatte ihn noch ein drittes Projektil erwischt.
Doch Jeff war sicher, dass sie ihn nicht zu fassen bekämen.
IRGENDWO IN DER WÜSTE VON JUÁREZ
Die Morgendämmerung weckte Raúl sanft aus seinem Schlummer. Es dauerte eine Weile, bis er wieder wusste, wo er sich befand. Er räkelte und streckte sich ein paar Mal in den seidigen Laken. Sein Zimmer war geräumig und komfortabel, fast luxuriös. Auf jeden Fall besser als die Unterkünfte, die er Teresa während ihrer seltenen Urlaube hatte bieten können.
Er war nun bereits seit zwei Tagen im Camp. Und noch immer hatte er nicht die geringste Ahnung, wo genau er war beziehungsweise was seine Entführer von ihm wollten. Alles hier war äußerst
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