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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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einen kurzen Augenblick den Eindruck, das Gleichgewicht zu verlieren. Er deutete auf seine blutbefleckte Jacke.
    »Dieses Blut …«
    »Wünschen Sie, dass die Interne Dienstaufsicht Erklärungen über die Herkunft verlangt?«
    »Es waren Passanten vor Ort.«
    »Ich kann einen Zeugenaufruf starten. Aber …«
    »Aber?«
    »Wäre das wirklich in Ihrem Interesse, Sergeant?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Der Tod eines Polizisten wirbelt Staub auf. Wenn Sie den angeblichen Mord an diesem Fletcher in Zusammenhang mit den Ermittlungen über die Schießerei im Central Park bringen, wird auch herauskommen, dass Sie an einem offiziell abgeschlossenen Fall gearbeitet haben. Das ist ein eindeutiger Regelverstoß, der noch dazu den Tod einer unserer Männer zur Folge gehabt hat. Bei Ihrer Vorgeschichte könnte ich dann wirklich nichts mehr für Sie tun.«
    »Und die Wahrheit?«
    »Was ist die Wahrheit?«
    »Verstehe …«
    Jeff Mulligan musterte seinen Vorgesetzten einen Augenblick schweigend. Dann erhob er sich und steuerte auf die Tür zu. Auf der Schwelle hielt Woodruff ihn zurück.
    »Halten Sie sich an die Vorschriften, Mulligan. Es ist Ihre letzte Chance.«
    Außerstande, Ruhe zu finden, lief Mulligan die ganze Nacht durch die Stadt. Vergeblich hoffte er seine überschüssige Energie abzubauen, die ihm Schmerzen im ganzen Körper bereitete.
    Was konnte er jetzt noch tun?
    Sein einziger Zeuge war erschossen worden. Der Mörder war entkommen. Und Minuten nach dem Mord hatte irgendjemand alle Spuren beseitigt: Leiche, Blut, Wagen. Was auf eine perfekt funktionierende Organisation hindeutete, die noch dazu über erhebliche Mittel verfügte.
    Und die dabei war, die Partie zu gewinnen.
    Glaubte der Lieutenant denn überhaupt, dass sich der Mord wirklich ereignet hatte?
    Mulligan fühlte sich wie gefesselt, machtlos.
    Wütend trat er gegen einen Mülleimer, dessen Inhalt sich über den Gehsteig ergoss.
    »Lucie«, murmelte er … »Verzeih mir.«
    Robert Lawrence’ Entschluss, die Prüfungsergebnisse seiner Tochter genauso zu feiern wie den Erfolg seines Sohns, wirkte auf Ann wie ein Schuldbekenntnis. Da sie den unendlichen Stolz ihres Vaters nur allzu gut kannte, war sie gerührt und beschloss, ihren Wachdienst zu verschieben. Die wenig begeisterte Reaktion der Kollegen vermochte sie nicht zu entmutigen. Da sie sich in ihrer selbst gewählten »Berufs-Familie« so isoliert fühlte, lag ihr daran, die Hand zu ergreifen, die ihr die leibliche entgegenstreckte … Am Ende konnte sie sich freimachen und begab sich zu der Familienparty.
    Doch die erwies sich als der Gipfel an Heuchelei.
    Zwar wurden Bruder und Schwester gefeiert, doch keinem der um Robert Lawrence versammelten Verwandten entging, dass der väterliche Stolz im Grunde nur dem Sohn galt. Die etwas übertriebenen Gesten der Zuneigung und das angestrengte Lächeln wirkten auf sie wie ein »Wir lieben dich … trotzdem«. Die krampfhaften Bemühungen, ihr zu vermitteln, dass man ihre Entscheidung nicht verurteilte, machten ihr auf grausame Weise klar, wie wenig man sie verstand und wie sehr ihre Berufswahl sie von der Familie entfernte. Für ihre eigene Verwandtschaft war sie eine Fremde geworden. Am allerunerträglichsten aber war die Art, wie ihr Vater ständig den Arm um sie legte und sie »mein kleiner Cop« nannte – wobei der herzliche Tonfall eine Gönnerhaftigkeit zum Ausdruck brachte, die an Verachtung grenzte.
    Und plötzlich war ihr alles klar. Ihr Vater hatte es darauf angelegt, sie in seinen Einflussbereich zurückzuholen. Dass er darauf bestand, sie bei diesem Fest dabeizuhaben, war keineswegs ein Versöhnungsversuch, sondern die typische Strategie des gerissenen Advokaten. Da er ihren Ehrgeiz kannte, ging er davon aus, dass Seans Erfolg ihr einen Stich versetzen würde. Und die wenig überzeugende Lobhudelei würde ihr klarmachen, dass er ihre berufliche Entwicklung für einen Fehlschlag hielt. Er ahnte ihre Probleme und wollte ihr nicht etwa helfen, sondern im geeigneten Moment seine Trümpfe ausspielen.
    Kurz vor acht verdrückte sie sich und kehrte in ihre Wohnung zurück.
    Auf ihrem Anrufbeantworter erwartete sie eine Nachricht von Frank Millar. Er schlug ihr vor, gemeinsam auszugehen. In der vergangenen Woche hatte er nicht ein Wort mit ihr gesprochen. Sie nahm sein Angebot an. Er erwartete sie in einer Bar an der Broadway Avenue. Als sie eintrat, eilte er ihr entgegen und legte den Arm um ihre Taille, um sie an seinen Tisch zu führen.

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