Tödliche Ewigkeit
können?
Dass er nur sie hätte lieben können …
Noch ein Glas.
Liebe meines Lebens, warum bin ich dir zu spät begegnet?
Jeff Mulligan schreckt aus dem Schlaf hoch. Ein stechender Schmerz durchzuckt seine rechte Gesichtshälfte. Blut … Wo ist er? Er erkennt das Sofa im Wohnzimmer, neben dem er betrunken zu Boden gestürzt sein muss. Dabei hat er sich wohl verletzt … Der Fernseher läuft, aber ohne Ton. Er tastet nach der Fernbedienung und schaltet ihn aus. Draußen ist es stockfinster. Ein Knacken. Er zuckt zusammen. Was hat ihn wecken können aus seinem Schlaf, der so tief war, dass er kaum zu erwachen vermag? Ein sonderbarer Eindruck … als ob jemand da wäre. Seine Augen drohen wieder zuzufallen, sein Mund ist trocken. Eine Kraft in ihm zwingt ihn, sich aufzusetzen. Blinzelnd sieht er sich im Raum um. Niemand. Und doch … Er rappelt sich mühsam auf, zieht den Revolver aus seiner Jacke, die an der Garderobe im Flur hängt. Er inspiziert die Küche. Überall am Boden Erbrochenes und Glassplitter. Er hat die Whiskyflasche wohl selbst umgeworfen. Doch er hat nicht die geringste Erinnerung daran. Er steuert auf sein Schlafzimmer zu. In dem Augenblick, als er eintreten will, hält ihn etwas zurück. Ein Gefühl. Ein ungewöhnlicher Geruch …
Da ist jemand.
Jeff stößt die Tür heftig mit dem Fuß auf und schwenkt den Lauf seiner Waffe von links nach rechts und wieder zurück. Nichts. Doch der Duft eines Frauenparfums steigt ihm in die Nase. Er betritt das benachbarte Bad. Niemand. Fieberhaft durchsucht er seine ganze Wohnung. Er ist allein. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass jemand da ist. Der mysteriöse Geruch scheint ihm von Raum zu Raum zu folgen. Es ist nicht nur ein Frauenparfum. Es ist das Parfum einer Frau, der Geruch einer Haut, so real, als hielte er sie in den Armen.
Er kehrt ins Bad zurück und lässt eiskaltes Wasser über seinen Kopf rinnen. Er muss wieder zu sich kommen. Ist er dabei, verrückt zu werden?
Ihre Gegenwart ist eindeutig.
Er spürt sie – sie .
Als er das Badezimmer verlässt, hat sich dieser Eindruck leicht abgeschwächt. Mulligan zieht sich an und verlässt das Haus. Erst unterwegs wird ihm klar, was sein Ziel ist.
Die Wohnung von Lucie Milton.
Jeff Mulligan hatte den Schlüssel zu Lucies Wohnung nicht mehr, weil die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen waren. Da der Tatort noch immer wichtige Beweisstücke für die Anklage enthalten konnte, war die Tür versiegelt worden. Jeff brach sie mit Geschick, jedoch nicht geräuschlos auf. Er drang in diese Räume ein, die er so gut kannte, in denen Lucie gewohnt hatte und gestorben war.
Es war, als hätte er hier gelebt.
Sein erster Reflex war, eine Plastikflasche mit Leitungswasser zu füllen und die Grünpflanzen zu gießen. Seit der Fall offiziell abgeschlossen war, war er nicht mehr vorbeigekommen, und einige der zahlreichen Pflanzen hatten offensichtlich gelitten. Lucie schien sie zu lieben und sorgsam zu pflegen. Dann, wie jedes Mal, legte er eine CD der Beatles auf (Lucie war ein Fan dieser Band, sie besaß all ihre Platten und mehrere ihnen gewidmete Bücher) und schlenderte ziellos von einem Raum zum nächsten, betrachtete die Möbel und Andenken, berührte den einen oder anderen flüchtig, fast schüchtern, als bewege er sich in einem Heiligtum. Lucie reiste gerne und hatte eine offensichtliche Vorliebe für Asien. Von dort hatte sie zahlreiche Souvenirs mitgebracht, die sorgfältig geordnet waren: ein betender Mönch aus Thailand, eine Schale aus Tibet, ein meditierender Buddha aus Kambodscha. Mulligan fragte sich, ob sie wohl auch betete. War sie gläubig? Mia Sheldon war davon überzeugt. Zwei andere Freunde aber hatten das Gegenteil behauptet. »Lucie war viel zu bodenständig und nicht am Jenseits interessiert. Sie liebte diese Welt viel zu sehr.« Mulligan liebte sie nicht und glaubte deshalb auch nicht an eine andere. Vielleicht hätte Lucie ihn überzeugen können, dass dieses verfluchte Leben doch wert war, gelebt zu werden.
Im Badezimmer griff er automatisch nach einem Flakon mit dem Parfum Porte d’Or und öffnete ihn.
Er erschauerte.
Das war genau der Duft, den er noch vor wenigen Minuten eingeatmet hatte!
Das Parfum von Lucie.
Er roch erneut wie besessen daran, als wolle er sie zu neuem Leben erwecken.
Aber etwas fehlte.
Ihr eigener, individueller Geruch, der ihrer Haut, fehlte hier auf grausame Weise. Dies war nur ein künstlicher Duft ohne die weibliche Note, die er, da war er
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