Tödliche Feindschaft
liegen. In der rechten Hand hielt er einen scharfkantigen Diamanten, mit dem er die Rillen auf der Oberfläche der Feile nachzog.
Indessen war Ojo damit beschäftigt, Schwarzpulver in einen Lederbeutel zu schütten und eine Substanz hinzuzufügen, die bei der Verbrennung starken Rauch entwickelte. Als er den Beutel gefüllt hatte, wog er ihn lachend in der Hand. »Wird einen schönen Gestank verursachen«, meinte er. »Ja, wenn es dazu kommen sollte.«
»Oh, Señor Doktor, ich glaube diesem Eberstein kein Wort. Er wird irgendeine Teufelei ausgeheckt haben, um Euch zu hintergehen. Ich würde mir überlegen, ob ich die Verabredung einhielte.«
»Richard muß aus dem Gefängnis heraus. Das bin ich meinem Vater schuldig. Der Junge hat nichts Böses getan.«
»Aber wir haben doch schon so oft andere aus dem Gefängnis befreit, ohne dafür zu bezahlen und ohne einen so gefährlichen Weg zu gehen.«
»Du magst recht haben, Diaz, wir haben es auch noch nie mit deutschen Gefängnissen zu tun gehabt. Die Leute sind hier gewissenhafter als anderswo auf der Welt. Und selbst wenn es wirklich gelingen sollte, dann müßte man darauf vorbereitet sein, schlagartig zu verschwinden und nichts zurückzulassen, woran sie sich rächen könnten. Ich kann aber meinem alten Vater keine Flucht zumuten. Und dann ist schließlich auch noch Charlotte da, die ich auf keinen Fall gefährden möchte.«
»Schon recht, Señor Doktor. Nur, was wird, wenn sie Euch einfach hinterrücks über den Haufen knallen?«
»Das werden sie nicht tun. — Ich weiß nicht, ich habe den Eindruck, daß Rudolf von Eberstein alles tut, was sein Alter sagt. Und der Alte hat so etwas wie eine Gauner-ehre. Vielleicht hält er sein Wort. Dennoch, wenn sie irgend etwas gegen mich im Schilde führen, so sollen sie mich wenigstens nicht unvorbereitet finden. — Bist du fertig?«
»Mit dieser Bombe, ja. Aber ich möchte Euch doch den Vorschlag machen, Euch nicht mit einer zu begnügen. Ihr könnt zwei, drei Stück leicht in Eurer Kleidung verbergen.« »Gut, fertige noch zwei an.«
Sorgfältig prüfend fuhr Michel mit der Hand über das Profil der Feile. Er schien von dem Ergebnis befriedigt zu sein. Jedenfalls legte er sie zur Seite und zog aus einem Schrank einen sehr langen, wenn auch dünnen, so doch haltbaren Lederriemen hervor. Dann entledigte er sich seiner Oberkleidung und wickelte sich dieses Seil in sauberen Windungen um seinen
Oberkörper. Dabei zog er es nicht zu fest an, damit er Spielraum zum Atmen hatte.
Nach einer Weile meinte Ojo:
»Ich bin fertig, Señor Doktor.«
»Dann geh hinüber und frage Jehu, ob er einen Wagen besorgt hat.«
»Bueno.«
Ojo erhob sich und verließ das Zimmer.
53
Der Zeiger der Kirchturmuhr von Sankt Martin rückte auf die volle Stunde zu. Eberstein saß ungeduldig wartend im Wachlokal. Im ganzen gesehen war seine Laune ausgezeichnet. Auch der Soldaten hatte sich eine merkwürdige Unruhe bemächtigt.
»Also nochmals, Sergeant«, nahm Eberstein das Wort, »keine Gewehre. Schärft den Leuten ein, daß sie die Pistolen so verstauen sollen, daß man sie nicht sehen kann. Dennoch müssen sie jederzeit griffbereit sein; denn der, den es zu fangen gilt, ist ein kluger Fuchs. Er war schon hundertmal in solchen Situationen. Wir müssen höllisch aufpassen, wenn wir den Deserteur schnappen wollen.« »Jawohl, Herr Major.« »Gut.«
In diesem Augenblick schlug es vier Uhr. Eberstein erhob sich hastig und ging nach draußen. Auf der Straße war weit und breit niemand zu sehen.
»Verdammt«, murmelte Eberstein vor sich hin, »der Kerl scheint doch zu klug zu sein, in die Falle zu gehen. Nun, dann ist er jedenfalls seine zweitausend Dukaten los.«
In diesem Moment wurde am Ende der Straße eine Gestalt sichtbar. Es war der Pfeifer.
Ein befriedigtes Aufleuchten ging über die Züge Ebersteins.
»Ihr seid pünktlich«, sagte er, als der Pfeifer heran
war.
Michel nickte und sah ihn durchdringend an, so, daß es Eberstein unter diesem sezierenden Blick
ungemütlich wurde.
»Kommt«, sagte er, »Euer Vetter wartet schon.«
»Überlegt Euch gut«, meinte Michel leise, »was Ihr tun wollt. Wenn Ihr irgendeine Teufelei im Schilde führt, so ist es um Euch geschehen.«
Eberstein bemühte sich, keine Reaktion auf diese Drohung zu zeigen. Barsch fragte er: »Seid Ihr bewaffnet? — Ihr müßt die Waffen abgeben.«
»Spart Euch Eure dummen Fragen. Ihr seht, daß ich nichts bei mir habe. Ich bin klug genug, um
zu wissen, daß ich nicht
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