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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft
Autoren: Berndt Guben
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für die ganze Nacht?«
    »Doch«, nickte der andere. »Du bist doch hier in keinem Hotel. Erst morgen früh um halb fünf bekommst du die nächste Scheibe Brot.«
    »Das ist unerhört«, tobte Michel und tat, als sei er ernstlich böse, was den anderen offensichtlich zu freuen schien. Er lachte und schlug die Klappe zu.
    Michel hatte, bevor er sich zu Eberstein begab, ausgiebig gegessen. Er war nicht hungrig. Er wollte lediglich wissen, ob er heute nochmals gestört würde oder nicht.
    So konnte er sich denn der Arbeit widmen, für die er sich die Feile eingesteckt hatte.
    Er machte sich ans Werk. Aber als er zwei Striche getan hatte, hielt er inné. Das Geräusch schien ihm doch zu stark. Er überlegte. Dann begann er, mit aller Lungenkraft zu pfeifen.
    Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Klappe abermals und der bärbeißige Sergeant erschien.
    »Hör Er auf mit dem Gejodel. Ein Gefangener hat nicht zu pfeifen.«
    Michel saß auf seiner Pritsche und kümmerte sich nicht um ihn. Immer kräftiger flössen die
dissonanzreichen Melodien von seinen Lippen.
»Aufhören!« schrie der Sergeant.
    Michel blickte auf unrd lächelte ihn freundlich an, ohne das Pfeifen einzustellen.
    Im Verlauf der nächsten halben Stunde erschien der Sergeant noch dreimal. Aber Michel dachte nicht daran, seine Lieblingsbeschäftigung aufzugeben. Und der Sergeant wußte offensichtlich nicht, was er tun sollte, um den Gefangenen stumm zu machen.
    Bald schien man sich jedoch daran gewöhnt zu haben. Niemand kam mehr, um die Klappe zu öffnen.
    Nun war es soweit. Michel setzte die Feile an und arbeitete im Schweiße seines Angesichts. Manchmal mußte er aufhören, um sich zu verschnaufen. Die doppelte Anstrengung des Pfeifens und des Feilens belastete ihn stärker, als er geglaubt hatte. Dennoch, es mußte durchgestanden werden. Glücklicherweise waren die Gitterstäbe nicht alle in die Wand eingelassen. Wenn man zwei Quer- und zwei Längsverstrebungen durch hatte, so war das Fensterchen frei. Draußen wurde es dunkel.
    Eine tröstliche Feststellung hatte Michel gemacht: es gab keinen Posten, der vor den Zellenfestern entlang patroullierte. Das war viel.

    Mit stolzgeschwellter Brust hatte sich Eberstein bei seinem Regimentskommandeur zum Rapport gemeldet. Hatte er diesen Michel Baum jetzt schon sicher hinter Gittern, so wollte er nicht nur seine Rachegelüste befriedigen, sondern seinem Vorgesetzten auch noch zeigen, was für ein toller Kerl er war. Die Eitelkeit stach ihn.
    Der Oberst war ein älterer, vornehmer Herr, dessen hohe Stirn und kluge Augen große Intelligenz verrieten.
    »Nun, lieber Eberstein, was bringt Ihr mir?«
    »Melde gehorsamst, habe eine Deserteur gefangen und in Gewahrsam genommen, Herr Oberst.« »Einen Deserteur? — Ich wußte gar nicht, daß so ein verdammter Bursche ausgerissen ist. In welcher Kompanie, in welchem Détachement?«
    »Melde gehorsamst, Herr Oberst, er ist kein Deserteur im gewöhnlichen Sinne. Er ist vor nunmehr fast zehn Jahren dem landgräflichen Heer entflohen. Damals ging er straflos aus, da man seiner nicht habhaft werden konnte.«
    »Vor zehn Jahren?« Der Oberst lachte. »Aber lieber Eberstein, das ist ja schon bald nicht mehr wahr. Und warum ist er ausgebüchst?« »Wollte nicht gegen Washington kämpfen, Herr Oberst.«
    »Hm, kann darüber nichts sagen. Vor zehn Jahren war ich noch nicht in hessischen Diensten.
Immerhin, was ist das für ein Mann?«
»Der Sohn des Tabakhändlers Baum.«
»Ah, der Alte, der diese tadellosen Sorten auf den Markt bringt? Meint Ihr den?«
»Jawohl, Herr Oberst, derselbe.«
»Habe immer geglaubt, er hätte nur einen Sohn gehabt.«
»Hat er auch, Herr Oberst.«
    »Eigenartig, eigenartig, hat mir doch mal was davon erzählt, der alte Mann. Richtig, sollte ja irgendwo draußen in der Welt umgekommen sein. — Zum Teufel, Eberstein, war das nicht Euer Freund?«
    »Nun, Freund ist zuviel gesagt. Ich war mit ihm zusammen eine Weile auf See. Haben uns zufällig draußen wieder getroffen. Er war Seeräuber.«
    Der alte Herr schüttelte den Kopf. Er kannte die Einzelheiten nicht. Er erinnerte sich nur
schwach an die Erzählung des alten Andreas Baum.
»Darf ich mir einen Vorschlag gestatten, Herr Oberst?«
    »Immerzu, immerzu, lieber Freund. Seid einer meiner tüchtigsten Offiziere. Was meint Ihr?« »Schlage vor, ihn zu hängen.«
    »Zu hängen? — Ich bitte Euch, Eberstein! Wir werden doch einen Menschen nicht hängen, weil er vor zehn Jahren mal davongelaufen
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