Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
habe ich kurz mit ihr geredet. Es war dunkel.«
»Haben die Ermittler sich an dich gewandt? Der Brandinspektor oder die Polizei?«
»Klar. Sie haben, soweit ich weiß, alle im Haus befragt. Außerdem seine Mitstudenten und Freunde. Bestimmt haben sie mit dir auch geredet.«
»Ja, haben sie. Wahrscheinlich war ich die Letzte, die ihn lebend gesehen hat. Ich hatte nämlich den Abend mit ihm verbracht.«
»Oh.« Mitleid malte sich auf Mandys Gesicht, und sie schob die Sonnenbrille auf die Stirn. »Mein Gott, das ist ja entsetzlich. Das wusste ich gar nicht. Ich war unterwegs. Ein Blind Date mit Bo, unsere erste Verabredung. Zusammen mit Brad und einer Freundin von mir, auf die er damals stand.«
»Du bist zwischen halb elf und elf nach Hause gekommen.«
Mandy zog eine Augenbraue hoch und trank einen Schluck Kaffee. »Wirklich?«
»Das hast du wenigstens damals ausgesagt.«
»Soweit ich mich erinnere, stimmt das auch. Bo hat mich an der Tür abgesetzt. Ich habe überlegt, ob ich ihn hereinbitten soll, wollte ganz lässig tun und schauen, was so passiert. Da meine Mitbewohnerin übers Wochenende verreist war, hatte ich die Wohnung für mich. Ich habe Musik aufgelegt und einen Joint geraucht, was ich in meiner Aussage natürlich nicht erwähnte. Während des Studiums habe ich mir ab und zu einen genehmigt. Ich schaute etwa bis Mitternacht fern und bin dann ins Bett. Als ich aufwachte, läutete der Feueralarm und auf dem Flur herrschte Gerenne und Geschrei.«
»Kanntest du die meisten anderen Studenten im Haus?«
»Klar, zumindest vom Sehen, wenn auch nicht dem Namen nach.«
»Hatte Josh mit einem von ihnen Ärger?«
»Nein. Du weißt doch, was für ein netter Typ er war, Reena.«
»Ja, aber sogar die nettesten Leute geraten manchmal mit ihren Mitmenschen aneinander. Vielleicht hatte er Streit mit einem Mädchen.« Ein Brand im Schlafzimmer war ein emotionales Verbrechen, das eigentlich eher auf eine Frau schließen ließ. So etwa nach dem Motto: Ich erwische dich im Schlaf, du Schwein.
Mandy zwirbelte an einer ihrer vielen Silberketten herum und hing weiter ihren Erinnerungen nach. »Er hatte Freundinnen, traf sich mit Leuten. Diese Studentenunterkünfte außerhalb des Unigeländes waren wahre Brutstätten für Drama, Sex und wilde Gelage. Und natürlich hatten alle eine Riesenangst vor den Abschlussprüfungen. Das Semester war im Mai zu Ende, und viele Studenten fuhren über die Sommerferien nach Hause oder machten ihren Abschluss. Neue zogen ein. Das Haus war Anfang Juni noch nicht voll. Und Josh hat sich hauptsächlich mit dir befasst, seit ihr angefangen hattet, miteinander zu gehen. Ich kann mich wirklich nicht entsinnen, dass es bei ihm eine dramatische Trennung oder einen ernsthaften Streit gegeben hätte. Weder im Haus noch an der Uni. Josh war beliebt, und alle mochten ihn.«
»Ja, das stimmt. Hast du ihn je mit einer Zigarette gesehen?«
»Er muss wohl geraucht haben. Damals konnte ich mich allerdings nicht daran erinnern. Damals rauchten viele von uns in Gesellschaft oder genehmigten sich hin und wieder einen Joint. Natürlich gab es auch ein paar fanatische Nichtraucher, das weiß ich noch genau. Aber er gehörte nicht dazu. Er war ein umgänglicher Mensch.«
»Und dir ist in der Nacht des Feuers wirklich nichts aufgefallen?«
»Nichts. Werden die Ermittlungen in diesem Fall wieder aufgenommen?«
»Nein, nein«, erwiderte Reena und schüttelte den Kopf. »Es ist persönlich. Da ist nämlich eine Sache, die mir einfach nicht aus dem Kopf will.«
»Ich weiß.« Geistesabwesend rückte Mandy die Sonnenbrille zurecht. »Mir geht es ganz ähnlich. Es ist nicht leicht, wenn man so jung ist wie wir damals und ein Altersgenosse stirbt. Mit zwanzig darf man noch nicht sterben. Zumindest glaubt man das in diesem Alter und hält sich für unsterblich. Die Zeit, die man hat, erscheint einem endlos.«
»DeWanna Johnson war dreiundzwanzig. Man hat immer viel weniger Zeit, als man denkt.«
Wie schon so oft legte Reena die Akte beiseite, um sich wieder mit der Gegenwart zu befassen.
Sie stand auf, als DeWannas Mutter das Büro betrat. »Ich übernehme das«, murmelte sie O’Donnell zu und ging der Frau entgegen.
»Mrs Johnson? Ich bin Detective Hale. Wir haben miteinander telefoniert.«
»Man sagte mir, ich sollte zu Ihnen nach oben kommen. Außerdem dürfe ich DeWanna noch nicht mitnehmen.«
»Wollen wir nicht nach hinten gehen?« Reena berührte die Frau am Arm und führte sie in den Pausenraum.
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