Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
herumzufummeln. Kan-ther ging schnell weiter.
Die nächste Tür stand ebenfalls offen.
Der Unterschied zwischen den beiden Frauen hätte nicht größer sein können. Das Mädchen hatte ihm den Rücken zugekehrt, sie kramte in ihrer Handtasche, und Kanther stellte fest, wie außerordentlich mager die junge Frau war. Schulterblätter und Rippen traten deutlich hervor. Das knochige Gesäß war mit blauen Flecken übersät. Sie drehte sich um und lächelte ihn an. Es war kein verführerisches, aufgesetztes Lächeln, sondern eine freundliche Geste, die man an einem Ort wie diesem nicht erwartete.
Kanther trat ein.
Er hatte sich am Waschbecken gesäubert und die feuchte Hose zum Trocknen über den Heizkörper gehängt. Nun saß er halb nackt auf der Matratze und starrte auf den Fleck, den irgendeine getrocknete Flüssigkeit auf dem Boden hinterlassen hatte. Kanther beherrschte aus seiner Schulzeit noch ein paar Brocken Russisch, das Mädchen nannte ihm widerwillig seinen Namen: Sie hieß Elena und kam aus Illitschiwsk, einer ukrainischen Hafenstadt am Schwarzen Meer, zwanzig Kilometer von Odessa entfernt. Er wusste nicht, ob Elena ihr richtiger Name war, aber das war ihm auch egal.
Das Mädchen hatte seinen BH abgelegt und neben ihm auf dem Bett Platz genommen. Sie schmiegte sich an seinen Körper und massierte sein schlaffes Glied, auf das sie Gleitgel aufgetragen hatte. Kanther hätte es höflicher gefunden, die Augen zu schließen, aber er ließ seinen Blick über das monotone Auf und Ab ihrer Hand und ihre Brüste gleiten, in der Hoffnung, der Anblick würde ihn erregen. Doch Fehlanzeige. Obwohl er auf dem Weg hierher schon betrunken gewesen war, hatte er noch ein paar kräftige Züge aus dem Flachmann genommen.
Elena probierte es noch eine Weile, dann kniete sie sich vor ihn hin, versuchte erfolglos, ihm ein Kondom überzuziehen und nahm seinen Penis in den Mund. Kanther starrte abwechselnd in den mit Schlieren übersäten Spiegel über dem Waschbecken und auf den Kopf der Prostituierten mit den rot gefärbten Haaren und den dunklen Ansätzen, in die sich das eine oder andere graue Haar mischte. Er spürte ein Brennen in der Magengegend, ein sicherer Vorbote für einen Wutausbruch.
Elena gab auf. Sie erhob sich und stieß ihn mit der flachen Hand nach hinten, damit er auf dem Rücken lag. Er wusste, auch dieser Versuch würde nichts bringen und er würde heute keine Erektion mehr bekommen. Dreißig Euro zum Fenster hinausgeworfen – es wäre besser gewesen, in Börnies Eck zu bleiben und weiterzutrinken. Elena setzte sich rittlings auf ihn, schloss die Augen, rieb sich an ihm und begann leise zu stöhnen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er Mitleid für die Prostituierte empfunden, weil sie in diesem kahlen Zimmer mit dem grauen Linoleumboden für ein Almosen die Beine breit machen musste. Doch jetzt fachte ihre aufgesetzte Geilheit seine Wut an. Er stieß sie von sich herunter. Elena rollte zur Seite und blieb auf dem Rücken liegen wie ein wehrloses Insekt.
Kanther ging auf die Knie. Die sich in ihm entzündende Wut strahlte Hitze aus, ein bösartiges Feuer, das jeden vernünftigen Gedanken zu Asche verbrannte. Wie beiläufig sah er sich selbst im Spiegel die Hand heben.
»Meni schkoda«, wimmerte Elena, die dünnen Arme schützend um den Kopf gelegt.
Er verstand kein Wort – bat sie ihn um Verzeihung?
Kanther sah wieder zu dem Mann im Spiegel. Dieser andere, diese heruntergekommene Fratze, die gerade ausholte, in der Absicht, eine wehrlose Frau zu schlagen, das war nicht er. Nein, so armselig benahm er sich nicht.
Kanther ließ den Arm sinken. Zog sich an, schweigend, ihren Blick meidend. Die feuchtwarme Hose dampfte an seinen Beinen. Wie der Leibhaftige, frisch der Hölle entstiegen, von Schwefeldunst umweht, sinnierte er und verfluchte sich, weil er sein Notizbuch vergessen hatte.
Als er sich zum Gehen anschickte, überlegte er einen Augenblick lang, ob er sich bei ihr entschuldigen sollte. Er hatte keinen hochgekriegt und daran trug alleine er die Schuld. Doch er tat es nicht.
Der Junge sah ihm wortlos nach, als er das Bordell verließ; die Tür schloss sich klappernd hinter ihm. Kanther stolperte die Treppe hinunter. Auf dem zweiten Absatz kam ihm jemand entgegen – es war der Schlepper, der einen neuen Kunden an der Angel hatte. Einen kleinen Mann, der sein Gesicht unter einem breitkrempigen dunklen Hut verborgen hielt, doch irgendetwas an ihm kam Kanther bekannt vor. Die beiden
Weitere Kostenlose Bücher