Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
Männer gingen schweigend an ihm vorbei. Kan-ther hatte gerade das Erdgeschoss erreicht, als er das Klopfsignal vernahm. Er legte eine kurze Verschnaufpause ein und fragte sich, für welche der beiden Frauen sich der Mann entscheiden würde.
In diesem Moment kehrte der Schnauzbärtige zurück, eilte an ihm vorbei und rief ihm über die Schulter zu: »Was hab ich gesagt? Top Mädchen – feuchte Muschis!«
Kanther schloss die Augen. Später hätte er nicht mehr sagen können, was genau ihn zur Umkehr bewogen hatte. Vielleicht war es dieser Satz gewesen. Er fühlte nur, dass er ein Recht auf eine Leistung hatte, die bezahlt und ihm vorenthalten worden war. Er machte auf dem Absatz kehrt und stieg zum zweiten Mal die Stufen empor. Im dritten Stock zögerte er einen Moment, dann klopfte er. Tocktock – tocktock – tocktocktocktock. Sich den Code zu merken, war nicht gerade anspruchsvoll gewesen. Der Junge hatte keine Chance. Sobald er die Tür einen Spalt breit geöffnet hatte, stieß Kanther sie auf und drängte den Kerl an die Wand. Er war entschlossen, sich zu holen, was ihm zustand.
*
Der Einsatzleiter der Kripo warf einen Blick auf seine Armbanduhr – die Leuchtziffern zeigten kurz vor halb elf. Diese Uhrzeit würde er in seinem Zugriffsbericht angeben. Zwölf Gestalten kauerten mit der Waffe im Anschlag im Treppenhaus. Die Männer und Frauen waren routiniert, trotzdem konnte man die Anspannung so kurz vor dem Einsatz deutlich spüren. Außer ihren hektischen Atemzügen war kein Geräusch zu vernehmen.
Die Polizei hatte die Eingänge des Vorder- und Hinterhauses abgeriegelt, niemand konnte mehr in das Gebäude hinein und, was noch wichtiger war, hinaus. Vor einer Woche hatten sie einen Tipp aus dem Milieu erhalten. Die etablierten Bordelle in der Elbestraße schätzten es nicht, wenn ein illegales Laufhaus in der Nachbarschaft die Preise verdarb. Man hatte den Laden mehrere Tage lang observiert und heute Mittag von der Staatsanwaltschaft grünes Licht erhalten, ihn auszuheben. Den Schlepper, einen Rumänen, hatten sie vor einer Viertelstunde beim Verlassen des Gebäudes festgenommen. Jetzt saß er in einem der Busse und schwieg beharrlich auf alle Fragen, die man ihm stellte.
Der Einsatzleiter lockerte die Schultern und überprüfte ein letztes Mal, ob seine Waffe gesichert war, dann nickte er wortlos den beiden Polizisten zu, die hinter ihm standen. Sie griffen ihm unter die Arme, gaben ihm Halt. Er zog ruckartig beide Beine an und trat mit voller Kraft gegen die Wohnungstür. Die Wucht des Aufschlags riss die Tür aus den Angeln. Sie krachte auf die Dielen im Flur, dann ging alles sehr schnell. Der Einsatzleiter rannte, die Waffe im Anschlag, den Gang hinunter, während sich die Kollegen ihm anschlossen. »Hände hoch, Polizei!«
Ein Junge, kaum älter als fünfzehn, stand im Gang und machte kehrt, im Versuch zu fliehen.
»Polizei! Hände hoch oder ich schieße!«
Das zeigte Wirkung. Der Junge hielt inne und hob die Hände. Ein Beamter durchsuchte ihn, bevor er die Handschellen zuschnappen ließ. Aus den anderen Räumen ertönten die Warnrufe der Beamten, gefolgt von ein paar Flüchen in Deutsch und einigen anderen Sprachen.
Die zweite Tür im Gang war verschlossen. Ein Beamter hämmerte dagegen. »Öffnen Sie sofort die Tür, Polizei!«
Keine Reaktion. Der Gang war an dieser Stelle so eng, dass der Beamte sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnen konnte. Er trat zu, eine weitere Tür ging zu Bruch. In einer Ecke des Zimmers stand eine ungeheuer beleibte Frau, sie hielt erschrocken ein winziges Handtuch vor den Körper. Ein gleichermaßen fetter, stark behaarter Mann versuchte, durch das geöffnete Fenster zu entkommen, lediglich mit einer Unterhose bekleidet.
»Hiergeblieben, Freundchen!«, schrie der Polizist, packte den Freier an den Schultern und zerrte ihn ins Zimmer zurück. Von der Straße erklang das Johlen einiger Schaulustiger, die sich zwischenzeitlich eingefunden hatten.
Die nächste Tür im Gang war ebenfalls verschlossen. Auch auf ihre wiederholte Aufforderung zum Öffnen erhielten die Männer keine Antwort.
Der Einsatzleiter wurde ungeduldig. »Immer sperren sich diese Idioten ein. Als ob ihnen das helfen würde.« Er wandte sich an seinen Kollegen, einen blutjungen Mann mit Kinnbart. »Kannst du das übernehmen? Ich hab’s im Knie.«
Der andere stützte sich an der Mauer ab und trat zu. Diese Tür zeigte sich widerstandsfähiger als die restlichen und gab erst beim zweiten
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