Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
aufzusuchen gedachte, ein repräsentatives Büro.
Der Taxifahrer entließ seinen Fahrgast direkt vor der Eingangshalle in die Hitze. Siegfried legte den Kopf in den Nacken und betrachtete kurz den zweiundvierzigstöckigen Wolkenkratzer. Dann bahnte er sich den Weg vorbei am Empfangstresen und fuhr mit einem der sechs Aufzüge in den einundvierzigsten Stock. Die junge Dame an der Rezeption der Singapore Link Trading Company Ltd. ließ ihn zwanzig Minuten warten, dann endlich öffnete sich die schwere, mit Intarsien verzierte Holztür. Siegfried trat ein und grüßte sein Gegenüber, leicht vornübergeneigt und den Blick zu Boden gerichtet, mit knappem Händedruck.
Am frühen Abend verließ er das luxuriöse Büro und bestieg ein Taxi zum Flughafen. In seinem Gepäck hatte er ein Flugticket, über neuntausend Euro in bar, einen britischen Pass und einen neuen Auftrag. Er bestaunte ein letztes Mal die Skyline des kleinsten Staates in Südostasien. Als die Betonmauern und Hochsicherheitszäune des Changi-Gefäng-nisses am Autofenster vorbeihuschten, zog er es vor, seine Hände zu betrachten. Am Flughafen checkte er für einen Lufthansaflug nach Frankfurt ein. Im Duty-free-Shop erstand er eine Flasche Chivas Regal und in einem Geschäft für Herrenbekleidung ein Outfit, das besser in die heutige Zeit passte als die Kleidung, mit der er im zwanzigsten Jahrhundert eingereist war. Dann bestieg er als einer der ersten Passagiere die Maschine. Die blonde Stewardess, die ihm während der Wartezeit einen Orangensaft servierte, war die erste europäische Frau, der er seit zwanzig Jahren nahe kam. Er schätzte sie auf Anfang dreißig und fand sie attraktiv. Ein Blick auf das kleine Metallschild an ihrem Revers verriet ihm ihren Namen.
Es wird nicht allzu schwer sein, ihre Adresse und Telefonnummer herauszufinden, dachte Siegfried, als die Erschöpfung und das gleichmäßige Rauschen der Triebwerke ihren Tribut verlangten. Es wird nicht schwer sein, aber vorher muss ich eine alte Rechnung begleichen.
Dreizehn Stunden später stieg ein ausgeschlafener Siegfried Bär am Frankfurter Flughafen erneut in ein Taxi. Der Taxifahrer war ein Sikh und an seinem Handgelenk klimperte goldener Schmuck. Im Radio lief ein Bollywood-Song. Das Innere des Wagens war überheizt und draußen stießen die Menschen in der eisigen Morgenluft Dampfwölkchen aus. Genau wie in Singapur, dachte Siegfried. Nur umgekehrt.
*
Kanther stand in der Elbestraße und leuchtete blau. Sein Trenchcoat reflektierte das grelle Neonlicht, in das die Balkone der Gründerzeithäuser getaucht waren. Die Elbestraße lag mitten im Rotlichtbezirk und sie gab sich keine Mühe, das zu verheimlichen.
Vor einer Stunde war er mit fünfzig Euro in der Tasche hier aufgekreuzt. Das Geld hatte er dem Strand Magazine entnommen, einer Originalausgabe von 1911, in der er seinen Notgroschen verwahrte. Genau genommen war das Strand Magazine der Notgroschen, denn auf einer Auktion hätte die Rarität ein Mehrfaches der fünfzig Euro gebracht. Doch darauf konnte er jetzt verzichten – er hatte einen Auftrag an Land gezogen. Einen, der lukrativ genug war, um sich ein Vergnügen zu leisten, das er lange entbehrt hatte.
Er war die kahlen Flure entlanggeeilt und die Treppen hinaufgeschlichen, immer der Leuchtreklame mit der Aufschrift GIRLZ nach. Das schummerige Licht und die Figurinen in den Gängen trugen kaum dazu bei, den Eindruck eines Schlachthauses zu kaschieren, den die gekachelten Böden und Wände erweckten. Nachdem er mit ein paar Mädchen verhandelt hatte, war ihm klar geworden, dass die Preise des horizontalen Gewerbes seit seinem letzten Besuch merklich gestiegen waren. Für mehr als eine Hand in seiner Hosentasche reichte sein Notgroschen kaum. Also hatte er sich unverrichteter Dinge auf den Rückweg gemacht. Nun stand er auf der regennassen Elbestraße und überlegte, wohin mit seiner Wut und sexuellen Energie. Sein Blick fiel auf Börnies Eck gegenüber.
Die Kneipe war billig und so gut wie leer – um halb acht war es noch zu früh, um sich ins Nachtleben zu stürzen. In einer Ecke schmachtete eine Prostituierte ihren Kerl an, Börnie stand hinter der Theke und mimte den Barkeeper: Er polierte Gläser. Kanther bestellte ein Gedeck und fragte den Glatzkopf, warum Barkeeper ständig Gläser polierten. Börnie lächelte, blieb die Antwort jedoch schuldig. Einige Kognaks später wankte Kanther von der verdreckten Toilette, wo das Pärchen aus der Ecke es lautstark hinter
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