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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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zugehen.
    Richter fläzte sich in seinen Stuhl, als gehöre ihm der Laden. Sein Verhalten löste bei Nora Skepsis aus. In einer Situation, in der man sich den neuen Kollegen vorstellte, erwartete sie wenigstens einen Funken Nervosität, doch Richter strahlte nichts als blanke Coolness aus.
    »Gideon Richter ist der Innenrevision zugeteilt«, fuhr Hartmann fort. »Er soll unsere Ermittlungsmethoden prüfen. Die Aufklärungsquote der MK 5 ist im Vergleich zum Vorjahr und vor allem im Vergleich zu den anderen Mordkommissionen drastisch zurückgegangen. Der Kollege soll im Anschluss an seine Analyse Verbesserungsvorschläge erarbeiten. Ich bitte euch also, ihn nach Kräften zu unterstützen.«
    Nora fiel es schwer, ihre Zunge im Zaum zu halten. Es stimmte: Die Aufklärungsquote der Abteilung war vergleichsweise niedrig. Aber die Ursachen dafür kannte jeder am Tisch, auch ohne einen Schnüffler aus der Revision. Ein Kollege war vor einem halben Jahr bei einer missglückten Festnahme an einem Bauchschuss verblutet, ein zweiter befand sich in Reha. Eine Kollegin, außer Nora die einzige Frau im elften Kommissariat, dem alle fünf Mordkommissionen angehörten, war wegen eines Burn-out-Syndroms krankgeschrieben, und niemand wusste, wann sie wieder einsatzfähig sein würde. Die Streichung der Planstellen infolge der Wirtschaftskrise und das nachlassende gesellschaftliche Ansehen des Polizeiberufs taten ihr Übriges. Mit einer derart dünnen Personaldecke war es schwer, effektive Polizeiarbeit zu leisten. Nora nahm sich vor, diesen Punkt morgen unter vier Augen mit ihrem Chef zu besprechen.
    Hartmann bat Richter um ein paar persönliche Worte. Der betete mit angenehm tiefer Stimme die übliche Litanei von »guter Zusammenarbeit« und »Prozessoptimierung« herunter. Für Nora nichts weiter als verquaste Kritik.
    »So, und nun zum Wesentlichen.« Hartmann klatschte in die Hände, wodurch der eine oder andere aus seinem Sitzungsschlaf aufschreckte.
    »Wir haben gestern Nacht im Bahnhofsviertel ein illegales Bordell ausgehoben. Einen Rumänen konnten wir festnehmen, der den Kollegen im K 61 hinreichend bekannt ist. Die Einsatzkräfte haben elf Mädchen im Alter von sechzehn bis achtundzwanzig Jahren erwischt, sechs davon in flagranti, fünf in einem Matratzenlager unter dem Dach. Die Damen waren bis auf die Sechzehnjährige, die von zu Hause abgehauen und illegal eingereist ist, im Besitz von Touristenvisa und stammen aus Estland, Lettland und der Ukraine. Eine der Frauen hat uns freundlicherweise eine Adresse in Hanau verraten. Dort betreibt eine Großfamilie offiziell einen Obst- und Gemüseimport, schleust aber hinter der rechtschaffenen Fassade Frauen aus Osteuropa nach Deutschland und Österreich ein und verteilt sie auf illegale Bordelle. Die Familie konnten wir ebenfalls dingfest machen. Da ist uns mal ein richtig dicker Fisch ins Netz gegangen.«
    Die Kollegen klopften anerkennend auf den Konferenztisch. Ihr Chef machte gut Wetter, das wusste Nora. Denn nicht die Hanauer waren die Hintermänner dieses speziellen Importgeschäfts. Die wahren Drahtzieher schotteten sich hinter diesem Familienclan ab, der als sogenannte Firewall zwischen dem operativen Geschäft und dem ›Management‹ diente. Man hatte also elf bedauernswerte, zu Sexdiensten gezwungene Mädchen eingesperrt und würde sie in Kürze in ihre Heimatländer zurückschicken. Dicke Fische sahen für Nora Winter anders aus.
    »Leider hat die Sache einen Haken: Eine der Frauen, eine gewisse Elena Pawlenko, hat sich kurz vor der Razzia das Leben genommen. Die Kollegen haben sie erhängt aufgefunden, der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.«
    Es herrschte Schweigen, bis Hartmann seinen Bericht wieder aufnahm.
    »Ich denke, wir können der Staatsanwaltschaft raten, von einer Leichenschau abzusehen?« Er blickte forschend in die Runde, obwohl er kaum Widerspruch erwartete. Niemand hatte Lust, sich zusätzliche Arbeit ans Bein zu binden.
    Nora hob den Finger. Sie hatte vor der Sitzung den Kurzbericht über die Razzia aus dem Intranet abgerufen und überflogen. »Ich hätte da noch eine Frage, Werner!«
    Einige Kollegen husteten und rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum. Hartmann sah Nora aus rot geränderten Augen an.
    »Hat jemand geprüft, ob das Zimmer, in dem sie sich erhängt hat, von innen verschlossen war?«, fragte sie.
    Hartmann verneinte, zumindest sei im Bericht nichts darüber vermerkt. Solche Untersuchungen gehörten beim Auffinden von

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