Tödliche Geschäfte
vergessen zu fragen, wie du mit dem Medikament zurechtgekommen bist, das ich dir besorgt habe.«
»Ich bin noch nicht sehr weit«, gab Sean zu. »Aber ich habe schon eine Trägerelektrophorese gestartet.«
»Das sagt mir alles«, erwiderte Janet sarkastisch.
»Es ist eigentlich ganz einfach«, sagte Sean. »Ich vermute, daß das Mittel aus Proteinen besteht, weil sie irgendeine Form von Immuntherapie anwenden müssen. Da alle Proteine elektrisch geladen sind, bewegen sie sich in einem elektromagnetischen Feld. Wenn man sie in ein bestimmtes Gel tut, das sie mit einer einheitlichen Spannung umgibt, bewegen sie sich nur noch entsprechend ihrer Größe. Ich möchte herausfinden, mit wie vielen Proteinen ich es zu tun habe und was ihr ungefähres Molekulargewicht ist. Das ist ein erster Schritt.«
»Paß bloß auf, daß du auch genug herausfindest, um die Mühen zu rechtfertigen, die ich bei der Beschaffung hatte.«
»Ich hoffe, du denkst nicht, daß du mit dieser einen Probe aus dem Schneider bist«, sagte Sean. »Das nächste Mal will ich etwas von Louis Martins Medikament.«
»Ich glaube nicht, daß ich es noch einmal schaffe«, sagte Janet. »Ich kann nicht noch mehr Fläschchen zerbrechen, sonst schöpfen die noch Verdacht.«
»Dann probier es mit einer anderen Methode«, schlug Sean vor. »Außerdem brauche ich gar nicht soviel.«
»Ich dachte, mit einem ganzen Fläschchen hättest du reichlich«, sagte Janet.
»Ich möchte die Medikamente verschiedener Patienten vergleichen«, sagte Sean. »Ich möchte herausfinden, worin sie sich unterscheiden.«
»Ich bin mir nicht sicher, daß sie sich überhaupt unterscheiden«, erwiderte Janet. »Als ich in Ms. Richmonds Büro war, um neue Fläschchen zu holen, hat sie sie einfach aus einem großen Kühlschrank genommen. Ich hatte den Eindruck, daß alle Patienten mit den gleichen beiden Mitteln behandelt werden.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Sean. »Jeder einzelne Tumor hat eine spezifische Antigenität, auch wenn es sich um zwei artgleiche Tumore handelt. Ein kleinzelliges Bronchialkarzinom eines Patienten unterscheidet sich in seiner Antigenität von dem eines anderen. Selbst wenn es als neuer Tumor bei ein und derselben Person wuchert, wird es sich antigenetisch von bereits existierenden Tumoren unterscheiden.«
»Vielleicht benutzen sie so lange dasselbe Medikament, bis sie den Tumor biopsiert haben«, überlegte Janet.
Sean betrachtete sie mit neuer Hochachtung. »Das ist eine Idee«, sagte er.
Sie bogen um eine Ecke und fanden sich schließlich vor einer großen Brandschutztür wieder. Auf einem Metallschild in Brusthöhe stand: Leichenhalle. Zutritt für Unbefugte verboten. Neben der Tür befanden sich eine Reihe von Lichtschaltern.
»Hmm«, meinte Sean. »Offenbar hat man uns erwartet. Die Verriegelung sieht recht imposant aus, und ich hab meine Werkzeuge nicht dabei.«
Janet rüttelte an der Tür, und sie ging auf.
»Ich nehme alles zurück«, sagte Sean. »Man hat uns wohl doch nicht erwartet. Jedenfalls nicht heute.«
Ein kühler Lufthauch schlug ihnen entgegen und umschmeichelte ihre Beine. Sean knipste das Licht an. Den Bruchteil einer Sekunde lang tat sich nichts. Dann erstrahlte die Leichenhalle in grellem Neonlicht.
»Nach Ihnen«, sagte Sean galant.
»Das Ganze war schließlich deine Idee«, erwiderte Janet. »Du zuerst.«
Sean betrat den Raum, und Janet folgte dicht hinter ihm. Etliche breite Betonpfeiler verdeckten die Sicht auf die gesamte Fläche, doch der Raum war offensichtlich sehr groß. Wahllos standen Rollbetten mit zugedeckten Leichen herum. Ein Thermometer an der Tür gab die Temperatur mit 8 Grad an.
Janet zitterte. »Mir gefällt es hier nicht.«
»Das ist ja riesig groß hier«, meinte Sean. »Entweder hatten die Architekten eine geringe Meinung von den Fähigkeiten des medizinischen Personals, oder sie haben die Halle für den Fall einer nationalen Katastrophe geplant.«
»Laß es uns hinter uns bringen«, sagte Janet und schlang die Arme um ihren Körper. Die kalte Luft war feucht und durchdringend. Es roch wie in einem feucht-muffigen Keller, der seit Jahren nicht gelüftet worden war.
Sean zog ein Laken zur Seite. »Oh, hallo«, sagte er. Das blutige Gesicht eines Bauarbeiters starrte ihm entgegen. Er trug noch seine Arbeitskleidung. Sean deckte den Mann wieder zu und ging zum nächsten Wagen.
Trotz ihres Ekels tat Janet das gleiche und marschierte in der entgegengesetzten Richtung los.
»Zu
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