Tödliche Geschäfte
nicht zur Autopsie angemeldet war.
»Und wohin kommen die Leichen?« fragte Sean.
»In die Leichenhalle«, sagte der Mann. »Die ist im Keller. Nehmen Sie den zentralen Lift bis zur Ebene B1 und folgen Sie den roten Pfeilen.«
Nachdem der Mann weg war, sah Sean Janet an. »Bist du dabei?« fragte er sie. »Wenn wir sie finden, wissen wir ganz genau, was mit ihr war. Vielleicht gelingt es uns ja sogar, ein wenig Körperflüssigkeit zu entnehmen.«
»Wenn ich schon bis hierher gekommen bin«, seufzte Janet resigniert.
Tom fühlte sich so ruhig wie den ganzen Tag über noch nicht. Zuerst war er entsetzt gewesen, Janet in Begleitung eines jungen Mannes in einem weißen Kittel zu sehen, aber dann hatten die Dinge eine Wendung zum Besseren genommen, als die beiden direkt zum Miami General Hospital gefahren waren. Weil er dort früher einmal gearbeitet hatte, kannte er den Laden in- und auswendig. Er wußte auch, daß es um diese Tageszeit brechend voll sein würde, weil die offizielle Besuchszeit gerade begonnen hatte. Und Menschenmassen bedeuteten Chaos. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit, Janet gleich hier zu erwischen, dann mußte er ihr nicht mehr bis nach Hause folgen. Und wenn er den Burschen in dem weißen Kittel auch erschießen mußte, Pech! Dem Paar durch das Krankenhaus zu folgen war nicht leicht gewesen, vor allem, als sie in der Pathologie waren. Tom hatte schon geglaubt, sie verloren zu haben, und wollte gerade zum Parkplatz zurückkehren, um den Jeep im Auge zu behalten, als die beiden plötzlich wieder auftauchten. Janet kam so nah an ihn heran, daß er sicher war, sie müsse ihn erkennen. Er war in Panik geraten, hatte sich aber glücklicherweise nicht gerührt. Aus Angst, Janet würde schreien wie in der Forbes-Residenz, hatte er die Pistole in seiner Tasche fest umklammert. Wenn sie geschrien hätte, hätte er sie an Ort und Stelle kaltmachen müssen.
Aber Janet wandte den Blick ab, ohne zu schreien. Offenbar hatte sie ihn nicht wiedererkannt. Das machte ihn sicherer, und er folgte ihnen jetzt dichter. Er nahm sogar denselben Aufzug wie sie, etwas, was er noch nicht gewagt hatte, als sie in die Pathologie hochgefahren waren.
Janets Begleiter drückte auf den Knopf für B1, und Tom wurde regelrecht ekstatisch. Von allen Räumlichkeiten des Miami General Hospital mochte er das Untergeschoß am liebsten. Als er noch hier gearbeitet hatte, hatte er sich oft nach unten geschlichen, um die Leichenhalle zu besuchen oder in Ruhe die Zeitung zu lesen. Er kannte das Tunnellabyrinth wie seine Westentasche.
Toms Sorge, Janet könnte ihn erkennen, kehrte zurück, als alle Passagiere bis auf einen Arzt und einen uniformierten Angestellten des Hauspersonals den Fahrstuhl verließen. Aber selbst, als praktisch niemand mehr anwesend war, hinter dem er sich verstecken konnte, bemerkte Janet nichts.
Sobald der Lift im Untergeschoß hielt, bogen der Mitarbeiter des Hauspersonals und der Arzt rechts ab und waren rasch verschwunden. Janet und ihr Begleiter blieben kurz stehen und sahen sich in alle Richtungen um. Dann wandten sie sich nach links.
Tom wartete im Fahrstuhl, bis die Türen fast wieder zugeglitten waren, bevor er sie mit dem Arm aufstieß, in den Flur trat und dem Paar in einem Abstand von etwa fünfzig Metern folgte. Er ließ die Hand in seine Tasche gleiten und umfaßte die Pistole. Er legte sogar den Finger an den Abzug.
Je weiter sich das Paar vom Aufzug entfernte, desto besser gefiel es Tom. Dies war der perfekte Ort für das, was er tun mußte. Er konnte sein Glück kaum fassen. Sie betraten einen Bereich des Untergeschosses, in dem nur sehr wenige Menschen zu tun hatten. Die einzigen Geräusche waren ihre Schritte und das leise Zischen der Rohre.
»So ähnlich muß es sich auch im Hades anfühlen«, sagte Sean. »Ich frage mich, ob wir uns verirrt haben.«
»Seit dem letzten Pfeil habe ich keinen Abzweig mehr gesehen«, sagte Janet. »Ich glaube, wir sind richtig.«
»Warum sind Leichenhallen immer so gottverlassene Orte?« fragte sich Sean. »Selbst die Beleuchtung wird schwächer.«
»Sie befindet sich wahrscheinlich in der Nähe einer Laderampe«, meinte Janet. Dann wies sie auf ein Schild. »Das ist wieder ein Hinweis. Wir sind auf dem richtigen Weg.«
»Ich glaube, die wollen ihre Kunstfehler so gründlich wie möglich verstecken«, gab Sean zurück. »Wäre ja auch eine schlechte Reklame, die Leichenhalle direkt neben dem Haupteingang unterzubringen.«
»Ich hab ganz
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