Tödliche Geschäfte
ausblieb, öffnete Dr. Mason die Augen, und Ms. Mason linste zwischen ihren Fingern hindurch.
»Habt ihr mich verstanden?« fuhr Sean sie an.
Dr. Mason mußte heftig schlucken, bevor er nickte.
Genervt von den Masons und bestürzt über seinen eigenen Wutanfall, machte sich Sean wieder an die Arbeit. Es war nicht leicht, und er mußte sich konzentrieren. Er mußte die richtige Sonde in die richtige Vertiefung geben, und er hatte Primer-Paare und Sonden für mehr als vierzig bekannte Onkogene, eine recht umfangreiche Liste.
Die ersten Proben zeigten keine Reaktion. Sean fragte sich, ob sie nicht genügend Zyklen durchlaufen hatten oder ob sie tatsächlich negativ waren. Als auch die fünfte Probe keine Reaktion zeigte, zeigte er erste Zeichen von Entmutigung. Zum ersten Mal, seit er dieses Drama in Gang gesetzt hatte, begann er, seine eigenen Schlußfolgerungen, die er bisher für absolut unerschütterlich gehalten hatte, ernsthaft anzuzweifeln. Doch dann war die sechste Gewebeprobe positiv. Er hatte ein Onkogen nachgewiesen, das unter der Bezeichnung ERB-2 für Erythroblastosis-Virus bekannt war, ein Virus, dessen natürlicher Wirt Hühner waren.
Bis Janet die Akten ein weiteres Mal durchgegangen war, hatte Sean ein weiteres Onkogen namens V-myc für das Myelocytoma-Virus nachgewiesen, das ebenfalls in Hühnern wächst.
»Das Datum der Operation ist nur bei drei Vierteln der Akten angegeben«, sagte Janet. »Aber in diesen Fällen stimmen sie mit den Daten und Zielorten von Dr. Levys Dienstreisen überein.«
»Halleluja!« rief Sean aus. »Es fügt sich alles zusammen, wie bei einem Puzzle.«
»Ich verstehe nur nicht«, sagte Janet, »was sie in diesen Städten gemacht hat.«
»Praktisch jeder kommt nach einer Operation an den Tropf«, sagte Sean. »Es dient der Flüssigkeitszufuhr, und wenn Komplikationen auftreten, hat man sofort eine Möglichkeit, Medikamente zu verabreichen. Ich vermute, daß Deborah Levy etwas in ihre IV-Lösung injiziert hat.«
»Was?« fragte Janet.
»St.-Louis-Enzephalitis-Virus«, sagte Sean und erklärte Janet, daß er das SLE-Virus in Helen Cabots Liquor nachgewiesen hatte. Außerdem berichtete er, daß Louis Martin ein paar Tage nach seinem Wahleingriff vorübergehend ganz ähnliche neurologische Symptome hatte wie Helen Cabot.
»Und wenn du dir die Akten ansiehst«, fuhr Sean fort, »wirst du vermutlich entdecken, daß die meisten Patienten kurzfristig vergleichbare Beschwerden hatten.«
»Warum haben sie dann keine ausgewachsene Enzephalitis bekommen?« fragte Janet. »Vor allem, wo der Erreger doch durch eine Infusion übertragen wurde?«
»Das ist das wirklich Raffinierte an dem Plan«, erwiderte Sean. »Ich glaube, die Enzephalitis-Viren wurden durch das Einschleusen der Onkogene verändert und in ihrer Virulenz abgeschwächt. Zwei dieser Onkogene habe ich bereits in Helens Tumor entdeckt. Vermutlich werde ich zumindest noch ein weiteres finden. Eine der zur Zeit diskutierten Krebs-Theorien geht davon aus, daß in einer Zelle mindestens drei isolierte Ereignisse auftreten müssen, bevor sie karzinomatös entartet.«
»Wie bist du auf all das gestoßen?« fragte Janet. Das Ganze klang zu kompliziert, zu verwickelt, zu komplex und vor allem zu schrecklich, um wahr zu sein.
»So nach und nach«, sagte Sean. »Leider habe ich viel zu lange gebraucht. Vermutlich war mein Anfangsverdacht zu schwach, an so etwas habe ich wirklich als letztes gedacht. Aber nachdem du mir erzählt hattest, daß sie vom ersten Tag an eine Immuntherapie mit einem ganz bestimmten Mittel durchführen, dachte ich, daß irgend etwas nicht stimmen konnte, weil es allem widersprach, was ich je über spezifische Immuntherapien gelernt habe. Man braucht Zeit, um Antikörper zu entwickeln, und jeder Tumor hat seine einzigartige Antigenität.«
»Aber erst bei den Betancourts hast du dann angefangen, dich völlig merkwürdig aufzuführen«, sagte Janet.
»Weil Malcolm Betancourt die Abfolge so betont hat«, erklärte Sean. »Wahleingriff, neurologische Symptome und dann der Hirntumor. Bei Helen Cabot und Louis Martin war es genau das gleiche. Bis ich Malcolms Geschichte hörte, war mir die Bedeutung dieser Tatsache nicht aufgefallen. Wie einer meiner Professoren immer gesagt hat, wenn man die Anamnese mit größter Sorgfalt erledigt, ist man normalerweise in der Lage, eine Diagnose zu stellen.«
»Du glaubst also, Mitarbeiter des Forbes-Krebszentrums wären in der Weltgeschichte rumgereist und hätten
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