Tödliche Geschäfte
die Leute mit Krebs infiziert«, sagte Janet, wobei sie sich regelrecht zwingen mußte, ihre grausame Befürchtung in Worte zu fassen.
»Eine ganz bestimmte Art von Krebs«, sagte Sean. »Eines der viralen Onkogene, die ich identifiziert habe, codiert ein die Zellmembran durchspannendes Protein. Da es homolog ist zu dem Protein, das den Rezeptor für das Wachstumshormon bildet, funktioniert es, als würde man einen Schalter anknipsen, um das Zellwachstum und die Zellteilung anzuregen. Außerdem ist der Teil, der die Zellmembran überragt, ein Peptid mit wahrscheinlich antigenischen Eigenschaften. Ich vermute, daß das Immunglobulin, das sie den Patienten geben, ein Antikörper für diesen extrazellulären Anteil des ERB-2-Onkoproteins ist.«
»Da komme ich nicht mehr mit«, gestand Janet.
»Versuch es doch mal«, sagte Sean. »Vielleicht kann ich es dir zeigen. Es dauert nur ein paar Minuten, weil ich aus dem Labor in Key West ERB-2-Onkoprotein mitgebracht habe. Wir testen, ob Helen Cabots Medikament darauf reagiert. Erinnerst du dich noch, daß es mir mit keinem natürlichen zellulären Antigen gelungen ist, eine Reaktion auszulösen? Das einzige, worauf es reagiert hat, war ihr Tumor.«
Während Sean schnell einen Immunfluoreszenz-Test vorbereitete, versuchte Janet zu begreifen, was er bisher gesagt hatte.
»Mit anderen Worten«, sagte sie nach einer Weile, »dieser Hirntumor ist deswegen so anders, weil er nicht nur künstlich erzeugt, sondern auch heilbar ist.«
Sean blickte mit erkennbarer Bewunderung von seiner Arbeit auf. »Genau!« sagte er. »Du hast es kapiert. Sie haben einen Krebs mit einem tumorspezifischen Antigen gezüchtet, für das sie bereits einen monoklonalen Antikörper hatten. Dieser Antikörper reagierte mit dem Antigen und übermantelte alle Krebszellen. Dann mußten sie nur noch das Immunsystem in vivo und in vitro stimulieren, um so viele ›Killerzellen‹ wie möglich zu bekommen. Das einzige kleinere Problem war, daß die Behandlung die Symptome anfangs wegen der unvermeidbaren Entzündung wahrscheinlich verstärkt hat.«
»Und deshalb mußte Helen Cabot sterben«, sagte Janet.
»Das vermute ich zumindest«, sagte Sean. »Die Diagnose in Boston hat sich zu lange hingezogen. Man hätte sie direkt nach Miami überweisen sollen. Das Problem ist nur, daß kein Arzt in Boston glauben kann, daß irgend jemand anders eine bessere Lösung für ein medizinisches Problem haben könnte.«
»Wie konntest du dir all dessen so sicher sein?« fragte Janet. »Zu dem Zeitpunkt, als wir nach Miami zurückgekommen sind, hattest du noch keinen einzigen Beweis. Trotzdem hast du die Masons mit vorgehaltener Waffe hierher verschleppt. Ich würde sagen, du hast verdammt hoch gepokert.«
»Der Groschen ist gefallen, als ich in dem Labor in Key West technische Zeichnungen von Virus-Kapsiden gesehen habe«, erklärte Sean. »Da wußte ich, so mußte es gewesen sein. Dr. Levys Spezialgebiet ist Virologie, mußt du wissen. Die Zeichnungen waren Darstellungen eines spherischen Virus mit ikosaedrischer Symmetrie. Das ist genau die Art von Hülle, die ein SLE-Virus hat. Das aus wissenschaftlicher Sicht wirklich Bemerkenswerte an dieser abgefeimten Verschwörung ist, daß es Deborah Levy offenbar gelungen ist, die Onkogene in die Kapsel des SLE-Virus einzuschleusen. In dem Virus kann es nur Raum für ein Onkogen gegeben haben, weil sie das virale Genom so weit intakt lassen mußte, daß es weiterhin infektiös blieb. Wie sie das gemacht hat, weiß ich nicht. Sie muß zusätzlich zu den Onkogenen auch noch einige retrovirale Gene eingeschleust haben, um die infizierten Zellen dazu zu bringen, die Onkogene in ihre Chromosomen einzubauen. Vermutlich hat sie eine Reihe von Viren durch Onkogene verändert, und nur die Gehirnzellen, die das Pech hatten, alle Onkogene gleichzeitig zu erhalten, wurden zu Krebszellen.«
»Warum ausgerechnet ein Enzephalitis-Virus?« fragte Janet.
»Weil es eine natürliche Affinität zu Nervenzellen hat«, erwiderte Sean. »Wenn sie einen heilbaren Krebs erzeugen wollten, brauchten sie einen Tumor, bei dem sie sich darauf verlassen konnten, daß er sich durch frühe Symptome bemerkbar machen würde. Wie ein Hirntumor. Rein wissenschaftlich ist das Ganze durchaus folgerichtig.«
»Diabolisch wäre wohl die treffendere Bezeichnung«, meinte Janet.
Sie warf einen Blick zum Glaskasten, in dem Dr. Mason nervös auf und ab lief, wobei er sorgfältig darauf achtete, den Tisch mit dem
Weitere Kostenlose Bücher