Tödliche Geschäfte
Vorratsraum hatte eine Tür zum Zentralkorridor, und von dort gelangte Sean unbemerkt auf die andere Seite des Gebäudes zum gegenüberliegenden Treppenhaus.
Er stürmte eine Treppe tiefer und rannte den Flur im vierten Stock hinunter, bis er wieder das Treppenhaus auf der anderen Seite erreicht hatte. Dort schlich er so leise wie möglich die Stufen hoch, bis der Absatz der fünften Etage in Sicht kam. Wie Sean erwartet hatte, stand dort Hiroshi, der verstohlen durch das Glasfenster spähte, offenbar erstaunt, daß Sean noch immer nicht aus der Vorratskammer zurück war. Auf Zehenspitzen stieg Sean die verbleibenden Stufen hoch, bis er direkt hinter Hiroshi stand. Dann schrie er, so laut er konnte, und war selbst beeindruckt von dem Lärm, den seine Lungen und der Widerhall im Treppenhaus hervorbrachten,
Sean hatte ein paar Kung Fu-Filme mit Chuck Norris gesehen und war besorgt, daß Hiroshi sich wie auf Reflex in einen Karate-Crack verwandeln könnte. Statt dessen brach der Japaner fast zusammen. Glücklicherweise hatte er eine Hand an der Klinke, die ihm Halt gab.
Als er sich so weit erholt hatte, daß er begriff, was geschehen war, wich er von der Tür zurück und begann, eine Erklärung zu murmeln. Gleichzeitig bewegte er sich zentimeterweise rückwärts, bis sein Fuß die erste Stufe erreicht hatte. Dann drehte er sich um und stürzte davon.
Stocksauer lief Sean hinterher, nicht um Hiroshi nachzusetzen, sondern um Dr. Levy aufzusuchen. Er hatte die Nase von Hiroshis Herumspioniererei endgültig voll. Er glaubte, daß er diese Angelegenheit am besten mit Dr. Levy besprach, da sie die Leiterin des Labors war.
Er stieg in den siebten Stock und marschierte den Flur zu ihrem Büro hinunter. Die Tür stand offen, er sah hinein, das Büro war leer.
Die Sekretärin hatte keine Ahnung, wo sie sein könnte, schlug jedoch vor, Sean solle sie ausrufen lassen. Statt dessen begab er sich in den sechsten Stock, um Mark Halpern zu suchen, der in seinem blütenweißen Laborkittel genauso schick aussah wie immer. Sean vermutete, daß er ihn jeden Tag wusch und bügelte.
»Ich suche Dr. Levy«, sagte er gereizt.
»Sie ist nicht hier«, erwiderte Mark. »Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
»Kommt sie heute noch hierher?« fragte Sean.
»Heute nicht mehr«, erklärte Mark. »Sie mußte nach Atlanta. Sie ist beruflich viel unterwegs.«
»Wann wird sie zurück sein?«
»Ich bin nicht sicher«, sagte Mark. »Wahrscheinlich erst morgen am späten Abend. Sie sagte etwas davon, daß sie auf dem Rückweg noch in unserem Labor in Key West vorbeischauen wollte.«
»Hat sie dort oft zu tun?« fragte Sean.
»Ziemlich«, sagte Mark. »Einige Wissenschaftler, die ursprünglich hier im Forbes-Zentrum gearbeitet haben und nach Key West gehen sollten, haben uns wieder verlassen. Dadurch hat Dr. Levy eine große Last zu tragen, weil sie den Arbeitsrückstand allein kompensieren muß. Ich glaube, das Forbes-Zentrum hat Probleme, adäquaten Ersatz zu beschaffen.«
»Sagen Sie ihr, daß ich sie sprechen will, wenn sie zurückkommt«, sagte Sean. Die Personalprobleme des Forbes-Zentrums interessierten ihn herzlich wenig.
»Und Sie sind sicher, daß ich nichts für Sie tun kann?« fragte Mark.
Einen Moment lang erwog Sean die Idee, Mark von Hiroshis seltsamem Benehmen zu erzählen, aber er ließ es dann doch. Er mußte mit einer Autoritätsperson reden. Mark würde ihm nicht helfen können.
Frustriert darüber, daß er seine Wut nicht abreagieren konnte, machte sich Sean auf den Rückweg zum Labor. Er wollte gerade das Treppenhaus betreten, als ihm doch noch eine Frage einfiel.
Er ging zurück in das winzige Büro des Laborassistenten und fragte ihn, ob es eine Kooperation zwischen den Pathologen der Klinik und der Forschungsabteilung gab.
»Hin und wieder«, sagte Mark. »Dr. Barton Friedburg ist Co-Autor einer Reihe von Forschungsberichten, bei denen eine pathologische Diagnose erforderlich war.«
»Und was für ein Mensch ist er?« fragte Sean. »Freundlich oder unfreundlich? Ich habe nämlich den Eindruck, daß die Leute hier entweder das eine oder das andere sind.«
»Auf jeden Fall freundlich«, sagte Mark. »Außerdem verwechseln Sie möglicherweise unfreundlich mit ernsthaft und beschäftigt.«
»Meinen Sie, ich könnte ihn anrufen und ihm ein paar Fragen stellen?« erkundigte sich Sean. »Ist er so freundlich?«
»Unbedingt«, sagte Mark.
Sean ging in sein Labor, wo er sich an den Schreibtisch in dem Glaskasten
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