Tödliche Geschäfte
hektisches Chaos. Die Kellner und Kellnerinnen waren durchgängig schwarz-weiß gekleidet, und alle trugen eine bekleckerte Schürze über der Uniform. Zwischen zwanzig und sechzig Jahren war jede Altersklasse vertreten. Während sie zwischen den Tischen hin und her wuselten, verständigten sie sich untereinander und mit der Bedienung hinter dem Tresen in wortschwallartigen spanischen Ausbrüchen. Über dem ganzen Tumult hing ein Duft von geröstetem Schwein, Knoblauch und schwarz gebranntem Kaffee.
Von einem Menschenstrom mitgerissen, fanden sich Sean und Janet eingezwängt zwischen anderen Gästen an einem langen Tisch wieder. Wie durch Zauberei standen wenig später eisgekühlte Corona-Flaschen mit Limonenscheiben vor ihnen.
»Davon kann ich nichts essen«, beschwerte sich Sean, nachdem er etliche Minuten die Speisekarte studiert hatte. Janet hatte recht, er variierte seine Eßgewohnheiten praktisch nie.
»Unsinn«, sagte Janet und übernahm die Bestellung.
Sean war angenehm überrascht, als das Essen kam. Das marinierte und heftig mit Knoblauch gewürzte Stück Rostbraten, das Janet für ihn ausgesucht hatte, war köstlich, genau wie der gelbe Reis und die Bohnen mit Zwiebelringen. Das einzige, was ihm nicht zusagte, war die Yucca.
»Das Zeug schmeckt wie Kartoffeln mit Schleimexsudat«, rief Sean.
»Ist ja ekelhaft!« maulte Janet. »Hör auf zu reden wie ein Medizinstudent.«
In dem lärmigen Restaurant war ein Gespräch praktisch unmöglich, so daß sie nach dem Essen zum Ocean Drive und weiter in den Lummus Park schlenderten, wo sie unter einem breiten bengalischen Feigenbaum eine Bank mit Blick auf den Ozean und die Lichter der Handelsschiffe und Yachten fanden.
»Kaum zu glauben, daß es in Boston noch Winter ist«, sagte Sean.
»Manchmal frage ich mich, wie wir den ganzen Matsch und Eisregen eigentlich aushalten«, meinte Janet. »Aber damit genug übers Wetter. Wenn du, wie du sagst, im Moment nicht über uns reden kannst, dann laß uns die Situation im Forbes-Zentrum besprechen. Ist es dir heute nachmittag besser ergangen als heute vormittag?«
Sean stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus. »Es war noch schlimmer«, sagte er. »Ich war noch keine fünf Minuten im zweiten Stock, als die leitende Oberschwester wie ein wilder Stier brüllend und tobend ins Zimmer gestürmt kam, weil ich es gewagt hatte, einen Blick auf Helens Krankenblatt zu werfen.«
»Margaret Richmond wütend?« fragte Janet.
Sean nickte. »Mit der ganzen Wucht ihrer gut zweihundert Pfund. Sie war völlig außer sich.«
»Zu mir war sie immer sehr höflich«, sagte Janet.
»Ich habe sie bisher erst zweimal gesehen«, erwiderte Sean. »Und beide Male war sie bestimmt nicht das, was ich höflich nennen würde.«
»Woher wußte sie, daß du dort warst?« fragte Janet.
»Sie hatte ein Eingreif-Kommando der Ledernacken dabei«, sagte Sean. »Eine der Überwachungskameras muß mich erfaßt haben.«
»Oh, toll!« meinte Janet. »Noch etwas, worüber ich mir Sorgen machen muß. An die Überwachungskameras habe ich gar nicht gedacht.«
»Deswegen mußt du dir keine Sorgen machen«, meinte Sean. »Schließlich bin ich derjenige, den der Sicherheitschef nicht ausstehen kann. Außerdem sind die Kameras höchstwahrscheinlich nur in den öffentlich zugänglichen Fluren und nicht auf den Stationen angebracht.«
»Hast du mit Helen Cabot gesprochen?« fragte Janet.
»Kurz«, erwiderte Sean. »Sie sieht überhaupt nicht gut aus.«
»Ihr Zustand hat sich verschlechtert«, sagte Janet. »Sie überlegen, ob sie einen Shunt anlegen sollen. Hat dir ihr Krankenblatt irgendwelche neuen Erkenntnisse gebracht?«
»Nein«, sagte Sean. »Ich hatte keine Zeit, alles zu lesen. Sie haben mich im wahrsten Sinne des Wortes über die Brücke zurück ins Forschungsgebäude getrieben. Dort ist dann als Krönung des Nachmittags wieder dieser Japaner aufgetaucht und hat mich vom Treppenhaus aus im Labor beobachtet. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber diesmal habe ich ihn erwischt. Ich hab mich von hinten angeschlichen und einen Schrei ausgestoßen, daß ihm das Blut in den Adern gefroren ist. Muß ihm einen mörderischen Schrecken eingejagt haben. Er wäre fast aus den Latschen gekippt.«
»Der Ärmste«, sagte Janet.
»Von wegen der Ärmste!« sagte Sean. »Der Typ spioniert mir seit meiner Ankunft nach.«
»Nun, ich war ein bißchen erfolgreicher«, sagte Janet.
Seans Miene hellte sich auf. »Wirklich? Super! Hast du eine Probe des
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