Tödliche Geschäfte
aber wir werden es checken.«
»Im Klinikgebäude werden bestimmt jede Menge Leute sein«, warnte Janet ihn.
»Deswegen halten wir uns ja auch vom Krankenhaus fern«, sagte Sean.
»Was ist mit den Wachleuten?« fragte Janet. »Hast du daran gedacht?«
»Kinderspiel«, sagte Sean. »Mit Ausnahme des frustrierten Ledernackens haben sie keinen großen Eindruck auf mich gemacht. Am Haupteingang kontrollierten sie jedenfalls völlig lasch.«
»Ich bin gar nicht gut in so was«, gestand Janet.
»Das ist ja ganz was Neues!« meinte Sean spöttisch.
»Und wieso kennst du dich so gut aus mit Schlössern, Dietrichen und Alarmanlagen?« wollte Janet wissen.
»Als ich ein kleiner Junge war, war Charlestown noch ein reines Arbeiterviertel«, sagte Sean. »Die Verbürgerlichung hatte noch nicht eingesetzt. Jeder unserer Väter ging einem anderen Handwerk nach. Mein Vater war Klempner. Timothy O’Brians Vater war Schlosser. Der alte O’Brian hat seinem Sohn ein paar Tricks seiner Zunft beigebracht, und Timmy hat sie dann uns gezeigt. Am Anfang war es nur ein Spiel, ein Wettbewerb. Wir gefielen uns in dem Glauben, daß es in der ganzen Gegend kein Schloß gab, das vor uns sicher war. Und Charlie Sullivans Vater war Elektrikermeister. Er hat hypermoderne Alarmanlagen installiert, vor allem in Beacon Hill. Charlie mußte oft mit. Also konnte er uns einiges über Alarmsysteme erzählen.«
»Solche Kenntnisse sind für Jugendliche ganz schön gefährlich«, meinte Janet. Der Kontrast zu ihrer Kindheit mit Privatschulen, Musikstunden und Sommerurlauben am Meer hätte nicht krasser sein können.
»Das kann man wohl sagen«, stimmte Sean ihr zu. »Aber in unserem Viertel haben wir nie etwas gestohlen. Wir haben bloß die Schlösser geknackt und uns einen Spaß daraus gemacht, die Türen offenstehen zu lassen. Mit einem älteren Jungen, der schon autofahren durfte, haben wir dann irgendwann angefangen, Ausflüge in die Vorstädte wie Swampscott oder Marblehead zu machen. Erst haben wir das Haus eine Weile beobachtet, dann sind wir eingebrochen, haben uns aus der Hausbar bedient und ein paar Elektrogeräte mitgehen lassen. Du weißt schon, Fernseher, Stereoanlagen und so.«
»Du hast gestohlen?« fragte Janet entsetzt.
Sean musterte sie kurz von der Seite, bevor er wieder auf die Straße blickte. »Natürlich haben wir gestohlen«, antwortete er. »Wir fanden es damals aufregend, und wir haben gedacht, daß jeder, der am North Shore wohnt, ein Millionär ist.« Er erzählte weiter, wie er und seine Kumpel die Waren in Boston versetzt, den Fahrer bezahlt, sich Bier gekauft und den Rest des Geldes einem Mann gegeben hatten, der Spenden für die IRA sammelte. »Wir haben uns vorgemacht, daß wir junge politische Aktivisten waren, obwohl wir nicht den leisesten Schimmer hatten, was in Nordirland eigentlich vor sich ging.«
»Mein Gott! Ich hatte ja keine Ahnung!« sagte Janet. Von seinen Schlägereien als Jugendlicher und selbst von den Spritztouren in gestohlenen Autos hatte sie gewußt, aber diese Einbrüche waren eine ganz andere Geschichte.
»Wir sollten uns mit moralischen Urteilen zurückhalten«, sagte Sean. »Meine Kindheit und deine Kindheit waren eben grundverschieden.«
»Manchmal frage ich mich nur, ob es für dich überhaupt irgendwelche Grenzen gibt«, sagte Janet. »Du kannst alles und jedes rechtfertigen. Ich fürchte, das könnte zur Gewohnheit werden.«
»So was habe ich zum letzten Mal mit fünfzehn gemacht«, sagte Sean. »Seitdem ist eine Menge Wasser den Charles River runtergeflossen.«
Sie bogen auf den Parkplatz des Forbes-Zentrums ein und fuhren zum Forschungsgebäude. Sean schaltete den Motor ab und das Licht aus. Einen Moment lang blieben beide regungslos sitzen.
»Willst du die Sache nun durchziehen oder nicht?« brach Sean endlich das Schweigen. »Ich will dich nicht unter Druck setzen, aber ich kann es mir nicht leisten, hier zwei Monate mit stumpfsinniger Fleißarbeit zu verdaddeln. Entweder ich befasse mich mit der Medulloblastom-Therapie, oder ich fahre zurück nach Boston. Leider kann ich die nötige Recherche nicht allein erledigen, wie mein Zusammenstoß mit der schwergewichtigen Ms. Richmond deutlich gezeigt hat. Entweder du hilfst mir, oder wir blasen die Chose ab. Aber laß mich noch eins sagen: Wir stehlen keine Fernseher, wir besorgen Informationen. Und es ist für eine verdammt gute Sache.«
Janet starrte eine Weile vor sich hin. Es war nicht einmal so, als könnte sie einen Moment
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