Tödliche Geschäfte
lang blieben sie einfach so stehen.
»Wie wär’s, wenn wir heute nacht zusammenbleiben?« brachte Sean schließlich verlegen hervor. Seine Stimme klang zögerlich; er fürchtete eine Zurückweisung. Janet antwortete nicht sofort, und je länger sie sich Zeit ließ, desto optimistischer wurde er. Schließlich zog er mit der linken Hand die Schlüssel aus seiner Tasche.
»Ich glaube nicht, daß das eine so gute Idee ist«, sagte sie schließlich.
»Komm schon«, drängte Sean. Er hatte noch ihren Duft in der Nase.
»Nein!« sagte Janet nach einer weiteren Pause, und es klang endgültig. Sie hatte geschwankt, doch sie hatte sich entschieden. »Ich weiß, daß es schön wäre, und nach diesem Abend könnte ich auch das Gefühl der Geborgenheit gut gebrauchen, aber zuerst müssen wir miteinander reden.«
Sean verdrehte frustriert die Augen. Sie konnte wirklich unglaublich stur sein. »Okay«, sagte er trotzig, eine neue Taktik probierend. »Wie du willst.« Er ließ sie los, öffnete die Tür und betrat das Apartment. Bevor er die Tür hinter sich zuzog, blickte er ihr noch einmal direkt in die Augen. Er hatte gehofft, dort Besorgnis über seine plötzliche Verstimmung zu entdecken. Statt dessen sah er nur Verärgerung. Janet drehte sich auf dem Absatz um und ging.
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, fühlte Sean sich auf einmal schuldig. Er ging zur Schiebetür, öffnete sie und trat auf den Balkon. Er sah, wie ein paar Türen weiter das Licht in ihrem Wohnzimmer anging. Er zögerte, unschlüssig, was er tun sollte.
»Männer«, rief Janet laut, zornig und erschöpft. Hinter der Tür zu ihrem Apartment blieb sie einen Moment stehen und ging das Gespräch mit Sean im Kopf noch einmal durch. Es gab keinen Grund, daß er wütend auf sie war. Hatte sie nicht bei seinem riskanten Plan mitgemacht? Fügte sie sich nicht überhaupt fast allen seinen Wünschen? Warum konnte er nicht einmal versuchen, ihre Bedürfnisse zu verstehen?
Janet wußte, daß sie heute abend nichts mehr klären würden. Sie betrat ihr Schlafzimmer und knipste das Licht an. Obwohl sie sich später daran erinnern sollte, fiel ihr in diesem Moment nicht auf, daß die Tür zum Bad geschlossen war. Wenn Janet allein war, schloß sie nie irgendwelche Türen, eine Angewohnheit, die sie schon als Kind entwickelt hatte.
Sie zog ihr T-Shirt aus, schlüpfte aus dem BH und warf beides auf den Sessel neben dem Bett. Dann löste sie ihre Haarklammer und schüttelte ihr langes Haar. Sie fühlte sich ausgelaugt, gereizt und, wie ihre Zimmergenossin auf dem College immer zu sagen pflegte, gut durch. Janet nahm den Fön, den sie am Morgen in Eile aufs Bett geworfen hatte, öffnete die Badezimmertür und ging hinein. In dem Moment, in dem sie das Licht anmachte, bemerkte sie die Gestalt, die links neben ihr lauerte. Instinktiv hielt sie abwehrend die Hände vor ihren Körper, als könne sie den Eindringling so vertreiben.
Sie wollte zu einem Schrei ansetzen, doch die Scheußlichkeit des Anblicks, der sich ihr bot, ließ jeden Laut in ihrer Kehle ersticken. Im Bad stand ein Mann in dunklen, ausgeleierten Klamotten. Er hatte sich einen Nylonstrumpf über den Kopf gezogen, der seine Gesichtszüge bizarr verzerrte. In der erhobenen rechten Hand hielt er drohend ein Schlachtermesser.
Einen Moment lang bewegte sich keiner von beiden. Janet hielt zitternd den völlig nutzlosen Fön wie einen Magnum-Revolver auf die schaurige Fratze gerichtet, während der Eindringling entsetzt auf die Trommel starrte, bis er begriff, daß es nicht der Lauf einer Waffe, sondern Heizspulen waren, in die er blickte.
Er faßte sich als erster und riß Janet den Fön aus der Hand. Mit einem Wutausbruch warf er das Ding beiseite. Es krachte in den Spiegel des Medizinschränkchens. Das Klirren riß Janet aus ihrer Lähmung, und sie stürzte aus dem Bad.
Tom reagierte schnell, und es gelang ihm, Janets Arm zu packen, doch mit ihrem Schwung zerrte sie ihn taumelnd mit ins Schlafzimmer. Er hatte sie ursprünglich im Bad erstechen wollen. Der Fön hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Er hatte nicht vorgehabt, sie wieder entwischen zu lassen. Und er wollte auch nicht, daß sie schrie. Doch sie tat es trotzdem.
Wenn Janets erster Schrei durch den Schock erstickt worden war, machte sie das mit ihrem zweiten Versuch mehr als wett. Der Schrei hallte in ihrem kleinen Apartment wider, drang durch die billigen Leichtbauwände und war wahrscheinlich in der ganzen Residenz zu hören. Tom lief ein
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