Tödliche Geschäfte
Harris Janets Apartment betrat, war er ganz begierig gewesen, sie zu befragen. Zu seinem großen Ärger traf er sie in Gesellschaft dieses Klugscheißers von einem Medizinstudenten an, diesem Sean Murphy.
Da die Polizei die Krankenschwester noch immer befragte, sah sich Harris rasch in der Wohnung um. Er begutachtete den zerschlagenen Spiegel und den demolierten Fön im Bad und registrierte auch das Höschen inmitten der Scherben auf dem Boden. Dann ging er ins Wohnzimmer und bemerkte das riesige Loch im Fliegengitter. Man konnte deutlich erkennen, daß jemand auf diesem Weg in das Apartment eingedrungen und nicht durch diese Tür geflohen war.
»Ihr Zeuge«, sagte Peter Jefferson spöttisch, als er das Wohnzimmer betrat. Sein Partner folgte in seinem Windschatten. Harris hatte Jefferson schon ein paarmal getroffen.
»Können Sie mir irgendwas sagen?« fragte er den Polizisten.
»Nicht viel«, erwiderte Jefferson. »Der Täter trug einen Nylonstrumpf über dem Gesicht. Mittelgroß, von mittlerer Statur. Hat offenbar kein Wort gesagt. Das Mädchen hat Glück gehabt. Der Kerl hatte ein Messer.«
»Was werden Sie unternehmen?« fragte Harris.
Jefferson zuckte die Schulter. »Das Übliche«, meinte er. »Wir werden einen Bericht schreiben und hören, was der Sergeant meint. So oder so wird sich irgendein Ermittlungsteam weiter um die Sache kümmern. Wer weiß, was die dann machen.« Jefferson senkte die Stimme. »Keine Körperverletzung. Kein Raub. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß der Fall mit oberster Priorität behandelt wird. Wenn er sie abgemurkst hätte, wäre das natürlich was ganz anderes.«
Harris nickte. Er bedankte sich bei den Beamten und betrat das Schlafzimmer. Janet war dabei, eine Tasche zu packen. Sean war im Bad und sammelte ihre Toilettenartikel ein.
»Im Namen des Forbes-Zentrums möchte ich Ihnen sagen, wie schrecklich leid mir die Sache tut«, sagte Harris.
»Danke«, erwiderte Janet.
»Wir haben eine Sicherheitsüberwachung der Residenz bisher nicht für notwendig gehalten«, fügte Harris hinzu.
»Das verstehe ich«, sagte Janet. »Es hätte überall passieren können. Ich habe die Balkontür offengelassen.«
»Die Polizei hat mir erzählt, daß Sie den Kerl nur sehr vage beschreiben können«, sagte Harris.
»Er hatte einen Strumpf über dem Kopf«, sagte Janet. »Und es ging alles so schnell.«
»Ist es möglich, daß Sie den Täter vorher schon einmal gesehen haben?« fragte Harris.
»Ich glaube nicht«, antwortete Janet. »Aber das kann ich unmöglich mit Sicherheit sagen.«
»Ich möchte Ihnen noch eine weitere Frage stellen«, sagte Harris. »Und ich möchte, daß Sie einen Moment nachdenken, bevor Sie sie beantworten. Ist Ihnen heute im Forbes-Zentrum etwas Ungewöhnliches passiert?«
Janets Mund wurde plötzlich ganz trocken.
Sean, der das Gespräch mit verfolgt hatte, ahnte sofort, was in Janets Kopf vor sich ging: Sie dachte an den Einbruch in das Aktenlager.
»Janet hat ein sehr aufwühlendes Erlebnis hinter sich«, sagte er und kam aus dem Bad ins Schlafzimmer.
Harris drehte sich um. »Mit Ihnen habe ich nicht geredet, Freundchen«, sagte er drohend.
»Nun hören Sie mir mal gut zu, Sie Vierkant-Schädel«, sagte Sean. »Wir haben nicht die Army zur Hilfe geholt. Janet hat vielmehr die Polizei gerufen. Sie können sich Ihre Informationen ja von denen besorgen. Sie ist nicht verpflichtet, Ihre Fragen zu beantworten, und ich glaube, sie hat heute abend schon genug durchgemacht. Das letzte, was sie jetzt brauchen kann, sind Ihre Belästigungen.«
Die beiden Männer standen sich drohend gegenüber und sahen sich direkt in die Augen.
»Bitte!« rief Janet. Neue Tränen schossen ihr in die Augen. »Noch mehr Aggression kann ich jetzt wirklich nicht ertragen«, erklärte sie beiden.
Sean setzte sich aufs Bett, legte seinen Arm um sie und lehnte seine Stirn an ihre.
»Tut mir leid, Miss Reardon«, sagte Harris. »Ich habe volles Verständnis. Aber für mich ist es wichtig, zu erfahren, ob Sie heute bei der Arbeit etwas Ungewöhnliches bemerkt haben. Ich weiß, daß heute Ihr erster Tag war.«
Janet schüttelte den Kopf. Sean blickte zu Harris auf und bedeutete ihm zu gehen.
Nur mit Mühe konnte Harris den Impuls unterdrücken, dem Jungen ein paar Ohrfeigen zu verpassen. Er stellte sich sogar genußvoll vor, wie er auf ihm hockte und ihm den Schädel rasierte. Statt dessen drehte er sich um und ging.
Je mehr die Nacht der Dämmerung wich, desto größer
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