Tödliche Geschäfte
Arnold einmischen wollte, als sie ihm erzählt hatte, daß sie beobachtet hatte, wie er ein Medikament vom Anästhesiewagen genommen hatte. Jetzt würde er die Pistole wieder benutzen müssen - bevor diese Janet Reardon noch mehr Unheil stiftete, als sie es ohnehin schon getan hatte.
»Ich werde dir beweisen, daß ich dein kleiner Mann bin«, sagte Tom. Er ließ die kalte Waffe in seine Tasche gleiten und ging ins Bad, um sich zu rasieren.
6
Freitag, 5. März, 6.30 Uhr
Als Janet über den General Douglas McArthur-Damm zur Arbeit fuhr, versuchte sie sich mit dem eindrucksvollen Blick über die Biscayne Bay abzulenken. Sie malte sich sogar aus, mit Sean eine Kreuzfahrt auf einer der strahlend weißen Yachten zu unternehmen, die im Hafen von Dodge Island vor Anker lagen. Aber es wollte ihr nicht gelingen, die Gedanken an den gestrigen Abend zu vertreiben.
Nach der Begegnung mit dem Eindringling in ihrem Badezimmer war Janet nicht zu bewegen gewesen, noch eine weitere Nacht in Nr. 207 zu verbringen. Selbst Seans Apartment war ihr nicht sicher genug erschienen. Statt dessen hatte sie darauf bestanden, noch in der Nacht in die Wohnung umzuziehen, die sie in Miami Beach gemietet hatte. Weil sie unter keinen Umständen allein sein wollte, hatte sie Sean gebeten, die Nacht bei ihr zu verbringen, und war froh, als er einwilligte und sogar anbot, auf der Couch zu schlafen. Aber als sie erst einmal dort waren, blieben Janets gute Vorsätze rasch auf der Strecke. Sie schliefen zusammen in Janets Bett, allerdings »platonisch«, wie Sean es nannte. Sie liebten sich nicht, doch Janet mußte zugeben, daß es schön war, seine Nähe zu spüren.
Die abendliche Eskapade mit Sean beschäftigte sie dabei fast so sehr wie die Begegnung mit dem unheimlichen Eindringling, vor allem der Zwischenfall im Verwaltungsbüro machte ihr schwer zu schaffen. Sie mußte immer wieder daran denken, was geschehen wäre, wenn sie erwischt worden wären. Außerdem hatte sie angefangen, sich zu fragen, was für ein Mensch Sean eigentlich war. Sicher, er war intelligent und witzig. Aber nach seinen jüngsten Enthüllungen über seine kriminelle Vergangenheit hatte sie erhebliche Zweifel an seinen moralischen Werten.
Alles in allem war Janet reichlich durcheinander, und um alles noch schlimmer zu machen, lag vor ihr der Tag, an dem sie heimlich eine Probe eines Medikaments besorgen sollte, dessen Ausgabe strikt kontrolliert wurde. Wenn ihr das nicht gelang, bestand nach wie vor die Gefahr, daß Sean seine Sachen packte und aus Miami abreiste. Als sie sich der Klinik näherte, ertappte sich Janet dabei, daß sie sehnsüchtig an den kommenden Sonntag dachte, ihren ersten freien Tag. Die Tatsache, daß sie schon vor Beginn ihres zweiten Arbeitstages an Ferien dachte, war ein Zeichen dafür, wie gestreßt sie war.
Die betriebsame Atmosphäre auf der Station erwies sich als wahrer Segen für Janets sorgengeplagten Verstand. Wenige Minuten nach ihrer Ankunft hatte die allgemeine Hektik sie bereits völlig aufgesogen. Die Übergabe vermittelte der Tagesschicht eine Ahnung dessen, was an Arbeit vor ihnen lag. Zwischen diagnostischen Tests, therapeutischen Anwendungen und komplizierten Medikationen würde wenig freie Zeit bleiben. Die alarmierendste Nachricht aber war, daß Helen Cabots Zustand sich nicht, wie die Ärzte gehofft hatten, verbessert hatte. Im Gegenteil, die Nachtschwester, die sich um sie gekümmert hatte, hatte vielmehr den Eindruck, daß sie an Boden verlor, da sie gegen vier Uhr morgens sogar einen kleinen Anfall erlitten hatte. Bei diesem Teil der Besprechung hörte Janet besonders aufmerksam zu, weil sie sich an diesem Tag für die Betreuung von Helen Cabot hatte einteilen lassen.
Wegen der kontrollierten Medikamente hatte sie sich einen Plan zurechtgelegt. Nachdem sie die Behälter gesehen hatte, in denen das Medikament auf die Station geliefert wurde, hatte sie sich ähnlich aussehende, leere Gefäße besorgt. Jetzt brauchte sie nur noch einen ungestörten Moment, in dem sie allein mit der Medizin war.
Nach der Übergabe stürzte Janet sich in die Arbeit. Zunächst mußte sie Gloria D’Amataglios Infusion vorbereiten und starten. Für Gloria war es der letzte Tag des aktuellen chemotherapeutischen Behandlungszyklus, das heißt, ihr letzter Tag am Tropf. Da Janet gleich am ersten Tag besonderes Talent beim Punktieren von Venen gezeigt hatte, war sie sehr gefragt. Bei der Übergabe hatte sie angeboten, Gloria den Zugang
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