Tödliche Geschäfte
zu legen, da es zuvor offenbar immer wieder Probleme damit gegeben hatte. Die Schwester, die für die Betreuung von Gloria eingeteilt war, hatte das Angebot bereitwillig angenommen.
Ausgerüstet mit den notwendigen Utensilien ging Janet in Glorias Zimmer. Gloria saß auf ihrem Bett gegen eine Reihe von Kissen gelehnt und fühlte sich sichtlich besser als am Vortag. Während sie voller Nostalgie über den idyllischen Teich auf dem Campus des Wellesley College und die romantischen Wochenend-Parties, die an seinen Ufern stattfanden, plauderten, legte Janet den Zugang und startete die Infusion.
»Das habe ich kaum gespürt«, sagte Gloria bewundernd.
»Freut mich, daß ich Ihnen helfen konnte«, erwiderte Janet.
Als sie Glorias Zimmer wieder verließ, spürte Janet, wie sich ihr Magen zusammenzog, als sie an ihre nächste Aufgabe dachte, die Beschaffung des Medikaments. Sie mußte mehreren Rollbetten ausweichen und einen seitlichen Ausfallschritt machen, um nicht über den Mann vom Reinigungsdienst mit seinem Eimer zu stolpern.
Am Schwesterntresen nahm sie sich Helen Cabots Krankenblatt und studierte die Medikationsanweisung. Sie besagte, daß Helen um acht Uhr zum ersten Mal MB300C und MB303C bekommen sollte. Zunächst besorgte sich Janet eine Infusionsflasche und Kanülen, dann kramte sie die leeren Behälter hervor, die sie beiseite gelegt hatte. Schließlich fragte sie Marjorie nach dem Medikament.
»Sekunde«, sagte Marjorie. Sie rannte den Flur hinunter zu den Aufzügen, um einem Pfleger, der gerade einen Patienten zum Röntgen brachte, das entsprechende Formular mitzugeben.
»Das vergißt der Typ aber auch jedesmal«, meinte Tim kopfschüttelnd.
Im Dauerlauf kehrte Marjorie zum Schwesterntresen zurück, den Schlüssel für den Tresor mit den Spezialmedikamenten bereits in der Hand.
»Was für ein Tag!« sagte sie zu Janet. »Und wenn man bedenkt, daß er erst anfängt!« Der typische Ansturm zu Beginn eines Arbeitstages auf der Station nahm sie offenbar völlig in Anspruch. Sie öffnete den kleinen, aber massiv gebauten Kühlschrank und entnahm zwei Fläschchen mit Helen Cabots Medikament. Sie konsultierte ein Hauptbuch, das ebenfalls im Kühlschrank aufbewahrt wurde, und erklärte Janet, daß sie zwei Kubikzentimeter aus der größeren und einen halben aus der kleineren Flasche nehmen sollten. Dann zeigte sie ihr noch, wo sie in einer Liste die Austeilung des Medikaments durch Eintrag ihrer Initialen bestätigen mußte, bevor Marjorie das Ganze noch einmal abzeichnete.
»Marjorie, ich habe hier Dr. Larsen für dich in der Leitung«, rief Tim und unterbrach ihr Gespräch.
Nachdem sie die Fläschchen mit der klaren Flüssigkeit in Empfang genommen hatte, zog Janet sich in die Medikamentenkammer zurück. Zunächst drehte sie das heiße Wasser am Waschbecken an. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß niemand sie beobachtete, hielt sie die beiden MB-Fläschchen unter heißes Wasser. Als die Etiketten sich lösten, zog Janet sie ganz ab und klebte sie auf die leeren Phiolen. Die jetzt unbeschrifteten Fläschchen mit dem Medikament verstaute sie in einer Schublade inmitten eines Durcheinanders aus Plastikmeßbechern, Bleistiften, Blöcken und Gummibändern.
Nachdem sie sich vorsichtshalber erneut zum betriebsamen Schwesterntresen umgedreht hatte, hielt Janet die beiden leeren Fläschchen hoch und ließ sie zu Boden fallen. Nachdem sie ein paar Tropfen Wasser über die Scherben geträufelt hatte, verließ sie die Medikamentenkammer.
Marjorie war noch immer am Telefon, und Janet mußte warten, bis sie fertig war. Als sie aufgelegt hatte, legte Janet sofort ihre Hand auf Marjories Arm.
»Mir ist ein Unglück passiert«, sagte sie. Sie versuchte, aufgeregt und bestürzt zu klingen, was ihr in Anbetracht ihrer Nervosität nicht schwerfiel.
»Was ist geschehen?« fragte Marjorie und riß alarmierend die Augen auf.
»Ich habe die beiden Fläschchen fallen lassen«, sagte Janet. »Sie sind mir aus der Hand geglitten und zerbrochen.«
»Schon gut, schon gut!« sagte Marjorie, die sich selbst ebenso beruhigte wie Janet. »Kein Grund zur Panik. Unfälle passieren eben, vor allem in der Hektik. Lassen Sie mal sehen.«
Janet führte sie ins Medikamentenzimmer und wies auf die Überreste der beiden Fläschchen. Marjorie bückte sich und sammelte behutsam die Scherben mit den beiden Etiketten auf.
»Tut mir wirklich schrecklich leid«, sagte Janet.
»Das macht doch nichts«, sagte Marjorie. »Wie gesagt,
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