Tödliche Geschäfte
weiter.
Aber es gab auch negative Zeichen. Als der Anästhesist mit einer Stablampe die Pupillen überprüfte, waren sie weit und reaktionslos. Eine Ärztin versuchte, Muskeleigenreflexe auszulösen, was jedoch nicht gelang.
Nach zwanzig Minuten bemühte sich Gloria erstmals wieder, selbst zu atmen. Nach weiteren drei Minuten atmete sie aus eigener Kraft stabil. Auch ihre Reflexe kehrten zurück, allerdings in einer Art, die nichts Gutes verhieß. Ihre Extremitäten zeigten Streck- und Beugesynergismen.
»Hmm«, sagte der Anästhesist. »Sieht nach Enthirnungsstarre aus. Das ist übel.«
Janet wollte es nicht hören.
Der Anästhesist schüttelte den Kopf. »Das Gehirn war zu lange ohne Sauerstoffzufuhr.«
»Das überrascht mich«, sagte eine Ärztin. Sie neigte die Infusionsflasche, um das verabreichte Medikament zu überprüfen. »Ich wußte gar nicht, daß Atemlähmung eine Komplikation dieses Therapieschemas ist.«
»Chemo kann ganz unerwartete Reaktionen auslösen«, sagte der Anästhesist. »Möglicherweise hat es mit einem vaskulären zerebralen Zwischenfall begonnen. Ich glaube, wir sollten besser Randolph informieren.«
Nachdem Janet ihren Umschlag geborgen hatte, taumelte sie aus dem Zimmer. Sie wußte, daß Szenen wie diese zum Alltag eines Krankenhauses gehörten, aber das machte es ihr auch nicht leichter, sie zu ertragen.
Marjorie kam aus dem Zimmer, sah Janet und kam zu ihr herüber. Sie schüttelte den Kopf. »Mit unseren Brustkrebspatientinnen im fortgeschrittenen Stadium haben wir wenig Glück«, sagte sie. »Vielleicht sollten die Verantwortlichen die Therapiemaßnahmen noch mal überprüfen.«
Janet nickte, sagte jedoch nichts.
»Die erste am Ort des Geschehens zu sein ist immer schlimm«, sagte sie. »Sie haben getan, was Sie konnten.«
Janet nickte noch einmal. »Danke.«
»Und jetzt laufen Sie und holen die Medizin für Helen Cabot, bevor noch etwas passiert«, sagte Marjorie und gab Janet einen schwesterlichen Klaps auf die Schulter.
Janet nickte, lief die Treppe bis zum zweiten Stock hinunter und ging über die Brücke ins Forschungsgebäude. Dort nahm sie den Fahrstuhl in den siebten Stock und fragte sich zu Ms. Richmonds Büro durch.
Die leitende Oberschwester erwartete sie bereits und nahm den Umschlag entgegen. Sie öffnete ihn und schüttete seinen Inhalt auf die Schreibtischunterlage. Dann schob sie die Scherben mit dem Zeigefinger zurecht, bis sie die Etiketten lesen konnte.
Janet blieb stehen. Ms. Richmonds Schweigen ließ sie befürchten, daß die Frau aus irgendeinem Grund wußte, was sie getan hatte. Janet begann zu schwitzen.
»Hat es deswegen irgendwelche Probleme gegeben?« fragte Ms. Richmond schließlich mit erstaunlich sanfter Stimme.
»Wie meinen Sie das?« fragte Janet.
»Als Sie diese Fläschchen zerbrochen haben«, sagte Ms. Richmond, »haben Sie sich da an den Scherben geschnitten?«
»Nein«, erwiderte Janet erleichtert. »Ich hab sie auf den Boden fallen lassen. Mir selbst habe ich nicht weh getan.«
»Nun, es war nicht das erste Mal und ganz bestimmt auch nicht das letzte«, sagte Ms. Richmond. »Ich bin froh, daß Sie sich nicht verletzt haben.«
Mit einer für ihre Größe erstaunlichen Behendigkeit sprang sie hinter ihrem Schreibtisch auf und ging zu einem Wandschrank, der vom Boden bis zur Decke reichte und einen großen, verschlossenen Kühlschrank verdeckte. Sie entriegelte und öffnete die Kühlschranktür und nahm zwei Fläschchen heraus, wie die, die Janet zerbrochen hatte. Dann klebte sie die entsprechenden Etiketten darauf. Sie war noch nicht ganz fertig, da klingelte das Telefon.
Ms. Richmond nahm ab, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Sie klemmte den Hörer zwischen Hals und Schulter und beschäftigte sich weiter mit den Fläschchen. Doch bald nahm der Anruf ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
»Was?« rief sie. Ihre eben noch so sanfte Stimme wurde schneidend, und ihr Gesicht lief rot an.
»Wo?« wollte sie wissen. »Im vierten Stock!« sagte sie nach einer Pause. »Das ist fast noch schlimmer! Verdammt!«
Ms. Richmond knallte den Hörer auf die Gabel und starrte ein paar Sekunden lang stur geradeaus. Dann bemerkte sie überrascht, daß Janet immer noch da war, stand auf und gab ihr die Fläschchen. »Ich muß jetzt weg«, sagte sie drängend. »Aber seien Sie vorsichtig mit dem Medikament.«
Janet nickte und wollte etwas antworten, doch Ms. Richmond war schon halb aus der Tür.
Auf der Schwelle zu ihrem Büro blieb Janet
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