Tödliche Gier
verbrachte ich damit, all das zu erledigen, was ich die ganze letzte Woche aufgeschoben hatte. Ich tippte die Informationen, die ich über Genesis in Erfahrung gebracht hatte, machte Kopien von Klotildes Rechnungen und hängte so viel von ihrer Akte an, wie ich für sinnvoll hielt. Ich hoffte, niemand würde mich fragen, wie ich zu den ärztlichen Daten gekommen war. Während ich da am Gerät stand, die Originale einlegte und das Licht des Kopierers vor und zurück gleiten sah, dachte ich über Fionas Bitte nach, ihr die 975 Dollar in bar zu bringen. Wahrscheinlich gab es eine einfache Erklärung dafür. Ich nahm nicht an, dass sie ernsthaft fürchtete, ein Scheck von mir sei nicht gedeckt, also musste es etwas anderes sein. Das Bild, das mir immer wieder vor Augen kam, war ihr unkrautbewachsenes Anwesen auf dem Hügel. Ich sah die Diele ihres Hauses mit ihrem Dekor aus Schutzverkleidungen und permanenten Gerüsten förmlich vor mir.
Außerdem grübelte ich über die grüne Mohairdecke nach, die Crystal Dow geschenkt hatte, und darüber, dass jemand auf seinem Schoß gesessen hatte, nachdem er erschossen worden war. Weit würde man so nicht fahren wollen. Jedenfalls nicht auf öffentlichen Straßen, wo ein Fußgänger oder ein Fahrer auf der Nebenspur womöglich genau im falschen Moment herübersah und einen in der Umarmung des Toten erspähte. Als Mörder hätte man den Stausee im Auge — und wie schön es wäre, wenn sowohl der Tote als auch das Auto von der Bildfläche verschwänden. Jonah hatte vermutet, dass der Mörder einen dummen Fehler gemacht und die Position des Felsblocks falsch eingeschätzt habe, der den Wagen daran hinderte, ganz unterzugehen. Aber was, wenn das Gegenteil zutraf? Vielleicht wollte ja der Mörder, dass der Wagen gefunden wurde. Wenn Dows Tod wie ein Selbstmord aussehen sollte, dann war der zugrunde liegende Irrtum vielleicht genau umgekehrt. Der Mörder wusste, dass der Felsblock dort war, und dachte, das Auto wäre zu sehen, sobald es Tag würde. Stattdessen drehte sich das Fahrzeug ein klein wenig und sank zu tief, um ohne weiteres entdeckt werden zu können.
Erst am späten Nachmittag zog ich die unterste Schublade auf, holte das Telefonbuch heraus und schlug in den Gelben Seiten unter »Malerbetriebe« nach. Es musste etwa hundert geben, eine Spalte nach der anderen, manche von ihnen mit Anzeigen in Kästen, andere mit eingängigen Sprüchen: Malen Sie nicht den Teufel an die Wand — Lassen Sie Charlies Engel ran. Charlie Corner & Söhne. Malerfachbetrieb. Vor meinem geistigen Auge sah ich die Familie Corner vor mir, wie sie allesamt um den Küchentisch saßen, einen Schnaps nach dem anderen kippten und sich Slogans ausdachten, um das Werbebudget niedrig zu halten.
Ich fing mit den As an und fuhr mit dem Finger die Namen entlang, bis ich den fand, den ich auf dem Schild vor Fionas Haus gelesen hatte. Eine einzige Druckzeile. Ralph Triplet, Colgate. Keine Straßenangabe. Ich notierte mir die Telefonnummer. Fiona kam mir genau wie der Typ vor, der einen Einzelkämpfer engagierte, jemanden, der den Auftrag zu dringend brauchte, um mit ihr zu streiten. Sämtliche auffälligen halb- und ganzseitigen Anzeigen hatte sie übergangen.
Ich wählte die Nummer von Ralph Triplet. Eigentlich wollte ich mir ein Märchen ausdenken, aber mir fiel keines ein.
Das Telefon wurde nach dem ersten Klingeln abgenommen. »Ralph Triplet, Malerbetrieb.«
»Hi, Mr. Triplet«, sagte ich. »Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich habe gerade einen Auftrag für Fiona Purcell in der Old Reservoir Road erledigt...«
»Hoffentlich haben Sie Ihr Geld im Voraus bekommen.«
»Deshalb rufe ich ja an. Zahlt sie etwa unpünktlich?«
»Eher überhaupt nicht. Haben Sie ihr Haus gesehen? Überall Weiß. Eigentlich sollte man annehmen, dass das ganz einfach wäre, aber wir haben inzwischen sechs Schattierungen durch. Alles von Frost über Alabaster und Eierschale bis zu Auster. Nichts hat ihr gepasst. Wenn ich eine halbe Wand angestrichen hatte, wollte sie schon etwas anderes. Zu grün, meinte sie zum Beispiel. Oder ich sollte das Pink rausnehmen. Dabei bin ich wochenlang nicht bezahlt worden. Der Architekt hat sich schon ein Pfändungsrecht auf das Anwesen eintragen lassen, und ich drohe mit dem Gleichen. Inzwischen habe ich es endlich geschafft, ihre Kreditwürdigkeit abzuklopfen. Das hätte ich sofort tun sollen, aber woher hätte ich das schon wissen sollen? Sie zieht eine überzeugende Show ab, aber in Wirklichkeit
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