Tödliche Gier
schreibt ihm sein nie erloschener Respekt vor den Jahreszeiten das Anbringen von Fliegengittern im Spätfrühling und von Sturmfenstern im Spätherbst vor. Das Wetter selbst kümmert ihn nicht.
Im Innenhof lagen immer noch Putzutensilien herum: der Gartenschlauch, Klumpen zerknüllten Zeitungspapiers, eine Drahtbürste, ein Eimer Essigwasser und mehrere Schwämme, die vom Ruß ganz grau waren. Henry winkte von seinem Hochstand herunter, stieg dann graziös die Leiter herab und pfiff dabei unmelodisch vor sich hin. Ich half ihm schnell beim Aufräumen, indem ich das Schmutzwasser in die Büsche goss, während er den Schlauch in einem Terrakottatopf zusammenrollte. »Du kommst aber früh«, bemerkte er.
»Ich dachte mir, ich mache lieber die Fenster zu, bevor es regnet, vorausgesetzt es regnet überhaupt«, erwiderte ich. Henry hatte schon oft beklagt, dass dem kalifornischen Wetter das Tosen und die Theatralik eines ordentlichen Gewitters im Mittleren Westen fehlten. Häufig bleibt der prognostizierte Regen ganz aus oder kommt in einer Form, die kaum genügt, um die Straßen zu benetzen. Nur ganz selten dürfen wir Donner und Blitz in voller Schönheit erleben, so wie Henry es aus seinen jungen Jahren in Michigan kennt und liebt.
»Warum hast du denn nicht angerufen? Den Weg hätte ich dir ersparen können. Wirf die Bürste in den Eimer. Ich nehme ihn dann mit rein, wenn ich ins Haus gehe.«
»Es lag auf meinem Weg. Ich habe um fünf Uhr einen Termin in der Paloma Lane, daher war ich ohnehin in diese Richtung unterwegs. Und mir ist jede Ausrede recht, um aus dem Büro zu flüchten. Für meinen Geschmack läuft dort zu viel Firlefanz ab.«
»Wie läuft’s mit der Suche nach neuen Räumen?«
Ich machte eine abwägende Handbewegung, um ihm zu bedeuten, dass es nicht gut aussah. »Es wird sich schon was ergeben. Immerhin habe ich inzwischen eine neue Klientin. Zumindest bin ich mir zu neunundneunzig Prozent sicher.«
»Warum der Vorbehalt?«
»Vielleicht spielt die schlechte Stimmung im Büro mit hinein. Ich bin an dem Fall interessiert, weiß aber nicht genau, ob ich da etwas bewirken kann. Es geht um diesen Arzt, der vermisst wird.«
»Ich kann mich erinnern, dass ich davon gelesen habe. Fehlt immer noch jede Spur von ihm?«
»Allerdings. Seine Exfrau meint, die Cops würden sich nicht genug anstrengen. Offen gestanden wirkt sie auf mich wie der Typ, der andere Leute gerne nach seiner Pfeife tanzen lässt, was ich widerlich finde.«
»Du schaffst es schon.« Mit diesen Worten kehrte er zu seiner Leiter zurück, klappte sie zusammen und trug sie durch den Innenhof hinüber zur Garage. Ich sah ihm zu, wie er sich um sein 1932er Chevy Coupé schlängelte und die Leiter an die Wand hängte. Seine Garage ist mit gelochten Brettern getäfelt, auf denen der Platz für jedes Teil ordentlich mit Farbe umrissen ist. »Hast du Zeit für eine Tasse Tee?«, fragte er und kam über den Innenhof auf mich zu.
Ich sah auf die Uhr. »Jetzt nicht. Wir sehen uns später bei Rosie.«
»Ich werde eher gegen sieben als gegen sechs dort sein. Sie kommt jetzt ohnehin gleich zu mir, und ich muss vorher noch spülen. Sie hat mich um Hilfe gebeten, aber sie will nicht verraten, wobei.«
»Oh-oh.«
Er winkte ab. »Wahrscheinlich ist es etwas ganz Einfaches. Das macht mir überhaupt nichts aus. Wenn sie kommt, solange ich verschwunden bin, sag ihr, dass ich gleich wieder da bin, sowie ich mich gewaschen habe.«
Henry ging durch die Hintertür in die Küche, wo ich ihn durchs Fenster sehen konnte, wie er an der Spüle stand und seine Hände schrubbte. Er schmunzelte, als er meinen Blick auffing, und begann erneut, vor sich hin zu pfeifen.
Ich drehte mich um, als ich das Tor quietschen hörte. Kurz darauf erschien Rosie mit einer braunen Papiertüte in der Hand. Ihr gehört das ungarische Lokal, in dem Henrys älterer Bruder William jetzt Geschäftsführer ist. William und Rosie haben letztes Jahr an Thanksgiving geheiratet und leben in einer Wohnung über dem Lokal, das einen halben Block entfernt liegt. William ist siebenundachtzig Jahre alt, und obwohl Rosie vor nicht allzu langer Zeit geschworen hat, Mitte sechzig zu sein, gibt sie jetzt zu, dass sie über siebzig ist, auch wenn sie nicht genau sagt, um wie viel. Sie ist klein und großbusig und hat eine kokette Kappe roter Haare, die im Ton von Floridaorangen gefärbt sind.
Wie üblich trug Rosie ein Sackkleid, diesmal mit einem wilden Muster in Orange und Gold. Ihr Rock
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