Tödliche Grenze im All
die Straßenbeleuchtungen Londons ein funkelndes Feuerwerk. Dumpf brüllend kam eine Rakete herab und landete. Ganz hoch oben funkelten die Sterne. Wade konnte seinen Blick nicht von ihnen losreißen. Was geschah da oben? Was war dort? Einige Milliarden dunkler Planeten, die um Millionen Zentralkörper kreisten, glühend wie die Sonne oder kalt und tot! Gab es Leben dort? Land mit grünen Bäumen und mit Flüssen, mit weißen Städten und mit Feldern? Wenn es dort menschenähnliche Wesen gab, – wie sahen sie aus: ganz normal, oder hatten sie etwa einen dicken Kopf und spindeldürre Beine? Lebten sie in einer Atmosphäre von Methan und Ammoniak – oder bestanden die Meere und Flüsse aus flüssigem Wasserstoffgas statt unseres vertrauten flüssigen Elements? Wer konnte das wissen.
Und warum war Hennesseys Schiff verunglückt? Er selber war ja kein Weltraumkundiger, doch wußte er, wieviel Möglichkeiten es gab, daß ein Weltraumschiff verunglückte. Aber die meisten dieser Unfälle waren Folgen technischer Mängel an den Schiffen. Hennesseys Fahrzeug war das vollkommenste gewesen, das je die Erde verlassen hatte. Es besaß alle bekannten Schutzvorrichtungen gegen kosmische Strahlungen, hochempfindliche Ortungs- und Suchgeräte für Meteore, kurz alles, was dazu gehörte, um ohne Pannen und Zwischenfälle ein riesiges Stück des Weltraumes zu durchqueren.
Und doch war es irgendwo verunglückt.
Er ging zur Wand und drückte auf einen Knopf. Die Wand glitt zur Seite. Etwas versenkt lag dahinter eine Projektionsfläche, daneben eine lange Reihe von Knöpfen. Er suchte einen bestimmten und drückte ihn nieder.
Auf der Projektionsfläche erschienen ein paar durcheinandertaumelnde Koordinatenlinien, die sich rasch ausrichteten, ein Bild – der Londoner Raumflughafen. Hennesseys Schiff stand auf der Abflugrampe, umgeben von Reportern, Forschern, Politikern, prominenten Leuten aus allen Erdteilen.
Herrliches Wetter, wolkenloser Himmel. Ein Tag im Juni.
Dort stand Hennessey und sprach mit Sir Julian Smythills, Nolan und McOrdle unterhielten sich mit einer Schar von Reportern.
Dort stand auch Charles Talbot Wade, lachend, jovial, in heiterer Hin- und Widerrede mit einem Kreis von berühmten Forschern. Er erinnerte sich sogar des Witzes, den er damals zum besten gegeben hatte, um seiner Spannung Herr zu werden, und er mußte abermals darüber lächeln. Alles aber überragte die goldglänzende Hülle des herrlichen Raumschiffes, des besten, das bis dahin konstruiert worden war. Dann eine Nahaufnahme Hennesseys, der den Superantrieb mit einfachen, allgemeinverständlichen Worten beschrieb und auch von den sonstigen Vorzügen des Schiffes sprach und sagte, was das für ein wichtiger Tag in der Geschichte der Wissenschaft sei.
Wade drückte auf einen anderen Knopf, der Schirm verlosch. Den Start wollte er nicht noch einmal sehen. Er hatte den Film schon achtzehnmal laufen lassen, seit van Carlsberg ihm das Bruchstück von Hennesseys Schiff gebracht hatte.
Wade begann unruhig auf und ab zu gehen. Er rauchte Zigarren, mixte sich ein paar Drinks, trank dazwischen Kaffee, nahm diesen oder jenen Gegenstand vom Tisch, spielte damit und warf ihn gereizt wieder hin. Er lief weiter umher, tief in Gedanken.
Da tönte der Summer des Fernsprechers.
„Bitte?“
„Mr. van Carlsberg, Sir.“
„Persönlich?“
„Nur am Apparat.“
„Verbinden Sie mich.“
Auf dem Fernsehschirm sah van Carlsbergs Gesicht wie eine runzlige Apfelsine aus.
„Sie schlafen wohl auch nicht gut, was?“ fragte Wade.
„Nicht besonders. Hören Sie, Wade, ich habe etwas auf dem Herzen. Kann ich zu Ihnen kommen und die Sache mit Ihnen bereden?“
„Hennesseys Schiff, nicht wahr?“
„Ja.“
„Dann kommen Sie rasch, aber bringen Sie Ihr Gedächtnis mit.“
Das runzlige Gesicht wurde vor Staunen fast glatt. „Dann haben Sie es erraten?“
„Ja. Ich habe es erraten. Ich habe mir außerdem erzählen lassen, daß Sie rund ein Jahr lang dem Titan nicht nahegekommen sind.“
„Das wollte ich Ihnen sagen.“
Van Carlsberg verschwand vom Schirm.
Wade schaltete den Lügendetektor in seinem Schreibtisch ein und steckte sich die nächste Zigarre an. Der Rauch ballte sich zusammen und lag wie eine Wolke auf der Schreibtischplatte. Wade pustete – da verzog sich der Rauch. So war es anscheinend auch mit van Carlsbergs Erinnerungen gemacht worden. Sie waren ihm nur für eine begrenzte Zeit eingegeben – das hieß, die Marsleute wollten nur nicht,
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