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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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    Die Männer mussten ihn ebenfalls gesehen haben, und sie wussten, dass er auf die Terrasse kommen wollte. Sie wussten, dass er sie identifizieren konnte, sie vielleicht sogar aus Paris erkannte. Sie konnten ihn nicht einfach davonkommen lassen.
    Sie mussten einen Plan gehabt haben.
    Der junge Jorge hatte einen von ihnen in Richtung Mouraria flüchten sehen, den Stadtteil, der auf der anderen Seite des Hügels lag.
    Aber den anderen?
    Ein gewöhnlicher Mann, in einem gewöhnlichen Anzug.
    Ich lehnte mich an die Mauer und sah, dass die junge Künstlerin auf ihrer Leinwand gerade die Ziegeldächer verewigte.
    Was tut Patrick? Sekunden nach dem Tumult auf der Terrasse sind alle Zeugen damit beschäftigt zu erfahren, was geschehen ist, warum die Menschen kreischen, wer der Tote ist. Doch Patrick weiß es. Er braucht der Schar, die zur Terrasse strömt, nicht zu folgen. Er rennt in eine andere Richtung, und er wählt den ersten Fluchtweg, der ihm in den Blick kommt: die lange Treppe, die vom Largos das Portas do Sol hinab und in das Gassengewirr vonAlfama führt. Genau dort, am oberen Treppenabsatz, begegnet er einem alten Mann mit Hund, einem Rentner, der im Viertel geboren und aufgewachsen ist und denkt, dass ein schwarzer Mann, der flüchtet, zwangsläufig der Schuldige sein muss.
    António Nery, zweiundsiebzig, bemerkt allerdings nicht, dass der schwarze Mann von einem weißen Mann mit einem Anzug von der Stange verfolgt wird.
    Langsam stieg ich die steile Treppe hinab. Was hatte Patrick gedacht, als er seinen wichtigsten Informanten tot am Fuß der Treppe liegen sah? Nahm er sich die Zeit, sich herabzubeugen? Er wusste, dass die Mörder Jetjenkos in der Nähe waren und dass es mehrere sein konnten. Er musste gerannt sein, direkt in das Wirrwarr der Gassen hinein.
    Ich sank auf die letzte Treppenstufe. Blutspuren waren nicht mehr zu sehen. Ich stellte mir vor, wie Patrick verloren durch das Häusergewirr irrte und nicht mehr hinausfand, wie ein Geist, ein Verdammter, der zwischen Leben und Tod gefangen war. Ich stand auf und sah ein letztes Mal zu der Terrasse hinauf, die hoch über mir lag.
    Gehen Sie weiter die Gasse entlang, hatte der Kommissar gesagt.
    Haus Nummer 62 lag an einem kleinen Platz oder besser gesagt an einer Ausbuchtung, wo sich die Gasse etwas verbreiterte. In die Hauswand war eine kleine Fontäne eingemauert, ein Löwenmaul, aus dem Wasser tropfte. Darüber beugte sich eine Frau aus dem Fenster und hängte Wäsche auf eine Leine. Ein idyllischer Ort, hätten nicht einige der Häuser einsturzgefährdet gewirkt. Die Nummer 62 war eines von ihnen.
    An der Eingangstür gab es zwei Klingeln, von denen keine mit einem Namen versehen war. Ich drückte beide gleichzeitig und hörte das Schellen durch die heruntergelassenen Jalousien im zweiten Stock. Durch die Schlitze konnte ich eine Bewegung erahnen. Einige Minuten verstrichen, dann klickte das Schloss, und die Tür wurde einen kleinen Spalt weit geöffnet.
    »Wer sind Sie?«, zischte eine Frau in gebrochenem Englisch. Ich sah ein Auge und die Hälfte eines Mundes mit kräftigen Lippen. Das Treppenhaus hinter ihr lag im Dunkeln. »Sind Sie gekommen, um mich zu holen?«
    »Sind Sie Vera Jetjenkova?«, fragte ich.
    »Warum?«
    »Ich möchte mit Ihnen über Ihren Mann sprechen.«
    »Geht es um die Miete?«
    Ein starker Parfümduft drang nach draußen.
    »Ich heiße Ally Cornwall. An dem Tag, als er starb, wollte Ihr Mann sich mit meinem Mann treffen.«
    »Mein Mann, Ihr Mann«, sagte Vera Jetjenkova. »Und wer ist Ihr Mann?«
    »Er heißt Patrick Cornwall und er ist ein amerikanischer Journalist.«
    »Aha, was Sie nicht sagen.«
    »Ich möchte doch nur mit Ihnen sprechen.«
    »Aber ich nicht mit Ihnen.« Die Frau hustete. »Richten Sie denen das aus. Und verduften Sie endlich, bevor ich jemanden bitten muss, sie wegschaffen zu lassen.«
    »Ich weiß, dass Ihr Mann ermordet wurde.«
    Ich bildete mir ein, dass ich ihre Atemzüge hören konnte, oder war es nur irgendein Ventilator in der Nähe?
    »Ich glaube, ich weiß, wer es war«, sagte ich.
    Die Tür wurde um einige weitere Zentimeter geöffnet. Sie trug einen Morgenrock. Ihre Füße steckten in riesigen Pantoffeln, die ein Erbstück von ihrem Mann sein mussten.
    »Ich bin noch nicht angezogen«, sagte sie und drehte sich um. Der Morgenrock flatterte, als sie eine schmale Treppe hinaufstieg. Als ich die Tür hinter mir schloss, wurde es schwarz. Nach und nach gewöhnten sich meine Augen an die

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