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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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Dunkelheit. Ich kletterte an einer Tür ohne Griff und Schloss vorbei und stieg eine weitere, schiefe Treppe hinauf. Die Tür zu Vera Jetjenkovas Wohnung stand offen, Licht drang heraus. Auf dem Treppenabsatz stand ein kleiner Kühlschrank und gab gurgelnde Laute von sich.
    »Die Polizei behauptet, Micha hätte sich umgebracht. Als ob ich ihn nicht besser kennen würde.« Vera Jetjenkova stand im Flur und stemmte die Hände in die Hüften. Sie trug Lockenwickler. Ich schätzte sie auf Mitte sechzig. Um ihre wulstigen Lippen herum spannte die Haut, offenbar hatte sie schon ein oder zwei Faceliftings hinter sich.
    »Also, wer hat den Amerikaner geschickt? War es der Slowake? Oder waren es die Russen?«
    Ich stand noch immer im Treppenhaus und versuchte zu erraten, was sie meinte.
    »Patrick hat Ihren Mann nicht umgebracht«, sagte ich. »Er wollte ihn interviewen. Sie waren verabredet.«
    »Verabredet!« Vera Jetjenkova hob ihre Hand zu einer imaginären Ohrfeige und ließ sie durch die Luft schnellen. »Die Geschäfte sollten abgeschlossen werden und die Tickets kommen, und jetzt sitze ich hier. Wie ein Vogel im Käfig, aber wohin soll ich fliegen? Das müssen Sie mir beantworten!«
    Sie deutete mit der ganzen Hand auf mich.
    »Machen Sie die Tür zu«, sagte sie.
    Ich betrat den Flur. Die Frau war kleiner als ich und ein wenig rundlich. Wie eine kleine, russische Omi, dachte ich und hatte mit einem Mal das Bild von den Holzpuppen im Kopf, die man ineinander stecken konnte. Doch Vera Jetjenkova kam aus der Ukraine, rief ich mir in Erinnerung, und wollte daher wohl kaum als Russin bezeichnet werden.
    »Ich muss mir was anziehen«, sagte sie und verschränkte die Arme, »aber erst will ich wissen, warum Sie durch die Gegend rennen und von Micha reden.«
    »Ich möchte nur wissen, was mit Ihrem Mann passiert ist«, sagte ich und sah mich schnell um. Auf der linken Seite gab es ein Badezimmer, in dem eine enge Dusche neben einer Toilette eingeklemmt war. Geradeaus lag eine gekachelte Küchenecke. Die Tür zu dem Zimmer, das wohl als Schlafzimmer diente, war angelehnt, drinnen war es dunkel. Ich lauschte konzentriert, konnte jedoch nichts hören, was darauf hingedeutet hätte, dass sich jemanddarin aufhielt. Daneben gab es eine weitere Tür, sie führte ins Wohnzimmer. Insgesamt war die ganze Wohnung nicht größer als unser Schlafzimmer in Gramercy.
    »Kennen Sie einen Mann namens Alain Thery?«, fragte ich.
    »Sie meinen den Franzosen«, sagte Vera Jetjenkova. Sie zog den Gürtel des Morgenmantels enger, sodass ihre Taille eingeschnürt wurde. Sie war nicht so dick, wie ich zunächst angenommen hatte, aber unter dem Mantel wogte ein riesiger Busen.
    »Ich glaube, dass er dahintersteckt«, sagte ich und lieferte eine schnelle Kurzversion dessen, was meiner Vermutung nach passiert war.
    Vera Jetjenkova unterbrach mich mitten im Satz. »Habe ich ihm nicht gesagt, dass es schlimm enden würde? Warum wollte er plötzlich die Geschäfte kaputtmachen? Es lief doch so gut. Uns ging es gut.« Sie ging ins Wohnzimmer, und das Rattan krachte, als sie sich in einem Sessel niederließ. »Wohin soll ich jetzt gehen? Sagen Sie mir das doch bitte mal.«
    Ich ging ihr nach und stellte mich in den Türrahmen.
    »Wussten Sie, dass er Patrick Cornwall treffen wollte?«
    »Er sprach nur von einem amerikanischen Journalisten.« Vera Jetjenkova zuckte mit den Schultern. »Dann sollten die Tickets kommen und die Pässe. Er versprach, dass wir nach Brasilien reisen würden, aber was sollte ich dort eigentlich? Wir hatten ein wunderbares Haus. Und dann kam er nicht zurück. Am Abend klopfte die Polizei an die Tür.« Sie schüttelte den Kopf und sah zur Decke. »Der dumme, dumme Micha, er hatte die Adresse in seiner Tasche, er konnte sich keine Zahlen merken und verirrte sich ständig.«
    Sie wies auf einen der Sessel, ich betrat das Wohnzimmer und setzte mich. Auf dem Tisch lag ein Stapel Bücher, sonst gab es keine persönlichen Gegenstände. Das Zimmer wirkte, als wäre es von jemandem möbliert worden, der nicht darin wohnte. Eine Lampe verbreitete einen gelblichen Schein, der die Haut grau aussehen ließ.
    »Mein Mann war Dichter, verstehen Sie. Tief in seiner Seele war er ein Poet.«
    »Aha«, sagte ich und verkniff mir den Kommentar: Wie naiv von mir zu denken, er wäre Sklavenhändler!
    »Dostojewski, Tschechow, Gogol, er las sie alle, sogar Pasternak und Kafka, obwohl der kein Russe war.« Sie strich mit der Hand über die kyrillischen

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