Toedliche Hoffnung
Kontakt mit den spanischen Behörden behilflich sein.«
»Und die Ermittlungen wegen Mordes?«, fragte ich. »Was wird daraus?«
Tom McNerney sog Luft durch seine Zähne ein und schnalzte mit der Zunge.
»Das ist ein wenig komplizierter«, sagte er. »Hier betreten wir das Gebiet der internen Angelegenheiten des Gastlandes, und in die darf ich mich, wie Sie wissen, nicht einmischen.«
»Aber was sagt denn die Polizei?«
»Soweit ich verstehe, gehen sie von einem Unfall aus. Sie nehmen an, dass er ertrunken ist.«
»Aber das ist falsch.«
Ich stand ungelenk auf und ging eine Runde im Zimmer auf und ab.
»Patrick hätte sich nie freiwillig in solche Wellen begeben«, sagte ich. »Er nimmt nicht einmal die Fähre nach Staten Island, wenn es sich vermeiden lässt.«
Nahm, dachte ich. Es muss nahm heißen, nicht nimmt. Alles ist jetzt Vergangenheit.
»Ich könnte mir vorstellen, dass die spanische Polizei handfestere Indizien braucht«, antwortete McNerney. »Aber falls es welche gibt, werden sie in dem Fall ermitteln, da bin ich mir sicher.«
Ich rieb mir die Stirn. Indizien?
»Sie müssen mit der Polizei in Lissabon sprechen«, sagte ich. »Es gibt dort einen Kommissar Ferreira, der eine Menge weiß.«
»Wie gesagt bin ich nicht der richtige Mann, um der Polizei in diesem Land vorzuschreiben, was sie zu tun hat. Das würde nicht wohlwollend aufgenommen werden, wie Sie sich sicher vorstellen können.«
Ich ließ das Telefon sinken. Handfeste Indizien.
»Ich kann mich ja nicht ...«
»In deren Arbeit einmischen, ich weiß«, sagte ich und holte tief Luft.
»Es tut mir leid«, sagte Tom McNerney.
»Bald wird sich ein Doktor Robert Cornwall bei Ihnen melden«, sagte ich. »Sein Anwalt wird fordern, Patricks sterbliche Überreste in die USA zu überführen.«
Ich trat auf den kleinen Balkon, der zu einer Seitenstraße hinausging, und die Geräusche einer anderen Wirklichkeit schlugen mir entgegen. Das Geknatter eines Mopeds ohne Schalldämpfer, zwei Frauen, die quer über die Straße einen lauten Schwatz hielten.
Ein Unglück. War es wirklich möglich, dass Patricks Tod so schnell ad acta gelegt wurde?
Keine Chance. Er hatte sein Leben für diese Story geopfert. Sein Tod hatte nichts Normales.
Ich ging wieder ins Zimmer, setzte mich aufs Bett und wählte die Telefonnummer von The Reporter in New York.
Es dauerte knapp vier Minuten, bis ich zu Richard Evans durchgestellt wurde.
»Ally Cornwall!«, rief der Redakteur am anderen Ende. »Was für ein Zufall! Ich sitze hier gerade mit einem dicken Briefumschlag aus Lissabon.«
TARIFA
SAMSTAG, 4. OKTOBER
Die ersten Artikel erschienen in einer gesonderten Internet-Ausgabe von The Reporter , am Morgen, spanischer Zeit.
Amerikanischer Journalist ermordet?
Der New Yorker Journalist Patrick Cornwall wurde in Südspanien tot aufgefunden.
Vieles deutet darauf hin, dass er ermordet wurde.
Patrick Cornwall, 38, ist den Lesern von The Reporter als furchtloser und versierter Journalist bekannt. Für seine Enthüllungen über rassistische Vorfälle bei der Polizei in Washington D.C. war er vor zwei Jahren für den Pulitzerpreis nominiert.
Einen Monat lang recherchierte er nun über das Thema Sklaverei in der heutigen Zeit. Dafür reiste er mitten in das Herz Europas, zur Wiege des Freiheitsideals, nach Paris. Er stieß auf eine schmutzige Welt, in der Menschenleben nicht viel wert sind.
»Patrick war dabei, ein kriminelles Netzwerk aufzudecken, das bis in die höchste Machtelite reicht«, sagt seine Witwe Alena Cornwall, die ihren verschollenen Mann in den letzten Wochen überall in Europa gesucht hatte.
Sie fand ihn schließlich an einem Strand in der spanischen Küstenstadt Tarifa. Die örtliche Polizei ging zunächst davon aus, dass es sich um einen der zahlreichen ertrunkenen Bootsflüchtlinge aus Afrika handelte. Seine Leiche wurde am vergangenen Montag anonym beigesetzt.
Alena Cornwall fordert nun die Polizei auf, in dem Fall zu ermitteln. »Patrick Cornwalls Tod ist ein Verbrechen an einem einzigartigen Menschen«, sagte Senator John Whitford in einer Stellungnahme. »Und es ist ein Verbrechen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.«
Ich rieb mir die Augen und überflog den Rest des Textes. Doch ich war nicht in der Lage, das Geschriebene zu verarbeiten. Schwarz auf einem grauweißen, flimmernden Schirm wirkte er wie irgendein belangloser Nachrichtentext, der mich nicht berührte. Dennoch fühlte ich mich etwas beflügelt, ein euphorisches
Weitere Kostenlose Bücher