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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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ihm auf die Spur.
    Porte de Clignancourt lag ganz im Norden, wo die Kernstadt Paris endete und die Vororte begannen. Es war die Endstation der Metrolinie 4. Dort war auch der größte Flohmarkt der Welt – Marché aux Puces. Die Rue Jean-Henri Fabre war eine der Marktstraßen. Dann las ich die nächste Zeile im Reiseführer, und meine Laune sank. Der Markt fand nur von Samstag bis Montag statt. Heute war Mittwoch.
    Durch das Fenster sah ich direkt auf die Baumkronen. Das Laub verlor bereits seine Farbe und wurde allmählich gelb. Hier zu arbeiten fiel mir auf jeden Fall leichter als im Hotel. Patricks Abwesenheit schrie mir nicht auf dieselbe Weise entgegen wie dort.
    Ich blätterte weiter, entzifferte Notizen. Es gab eine ganze Reihe von Namen, Adressen und Telefonnummern, ohne eine Erklärung dazu, wer die Personen waren. Ich markierte die Adressen auf der Karte, eine nach der anderen, und langsam entstand ein Muster, eine Luftaufnahme von Patricks Bewegungen in der Stadt.
    Als ich den Blick wieder hob, rannen Regentropfen an der Scheibe herab und die Menschen auf der Straße spannten ihre Schirme auf. Es ging auf drei Uhr Nachmittag zu, Vormittag in New York. Ich massierte meinen Nacken, der sich nach der Nacht im Flugzeugsitz steif und unbeweglich anfühlte, holte mein Handy aus der Tasche und begann mit der Nummer auf der letzten Seite des Buches. Später, wenn der Regen aufhörte, würde ich die Orte auf der Karte besuchen. Ich musste meinen Körper in den verkehrten Tagesrhythmus hineinzwingen, durfte keine Zeit verlieren.
    Es tutete in der Leitung. Ich blickte auf den Namen, Josef K. Es klingelte zweimal. Dreimal. Ein Mädchen wischte neben mir den Tisch ab. Einige Touristen diskutierten lautstark auf Italienisch.
    Dann hörte ich ein Klicken, aber keine Stimme. Doch die Verbindung war hergestellt, und ich hörte Verkehrslärm, eine Sirene in der Ferne.
    »Hallo«, sagte ich leise. »Ist dort jemand namens Josef K.? Hallo?«
    Ich war sicher, jemanden atmen zu hören.
    »Eigentlich suche ich Patrick Cornwall, vielleicht können Sie mir helfen? Ich bin in Paris und glaube, dass er diese Nummer gewählt hat ...«
    Das Verkehrsbrausen verschwand. Die Person am Telefon hatte aufgelegt.
    Ich umklammerte das Handy und machte mit der nächsten Nummer auf der Liste weiter.
    Nach vier Gesprächsversuchen gab ich auf. Die ausführlichsten Antworten, die ich erhalten hatte, waren »no English« und »no, no, no«.
    Ich bekam Lust, stattdessen Benji anzurufen. Zu hören, wie die Premiere gelaufen war. Ob Duncan den gewünschten Erfolg geerntet hatte. All das erschien mir mit einem Mal fern, als hätte es in dem Moment zu existieren aufgehört, in dem ich ins Flugzeug gestiegen war.
    Benji war der Einzige, der wusste, dass ich nach Paris gereist war. Ich hatte es ihm beim Mittagessen erzählt, als wir auf der Treppe beim Liefereingang auf der Neunzehnten Straße saßen und unseren Burrito mit Jalapeños vom Deli gegenüber verspeisten.
    »Du spinnst ja wohl, das schaffe ich nicht«, hatte Benji gesagt und seinen Mund verfehlt. Dabei war ein großer Kleks Hackfleischsoße sein Knie hinabgeronnen, begleitet von geschmolzenem Käse und einer labberigen Tomatenscheibe. »Stell dir vor, es passiert irgendwas, was soll ich denn dann machen?« Er versuchte, den Fleck von seiner weiten Designerhose zu reiben.
    »Was soll schon passieren«, antwortete ich. »Das Bühnenbild steht, wo es stehen soll, und sie werden diese Vorstellung drei Wochen lang aufführen. Bis dahin bin ich längst wieder da.« Ich stopfte meinen halbgegessenen Burrito in meinen leeren Saftbecher und stand auf.
    »Falls jemand fragt, ist was mit meiner Familie und es tut mir furchtbar leid und so weiter. Mehr brauchen sie nicht zu wissen.«
    Eine Stunde vor der Premiere verließ ich das Theater. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich alle Papiere in Ordnung gebracht, die Buchführung und das Protokoll von der Brandschutzinspektion, die Liste der Requisiten, die zurückgegeben werden mussten, alles ordentlich gestapelt. Wie ein sauberer Abschluss dieses Lebensabschnitts.
    »Küss Patrick von mir, wenn du ihn triffst«, sagte Benji und umarmte mich. Ich befreite mich steif und antwortete nicht, winkte nur, als ich mich zum Taxi hinausschlich, das mich nach Newark und zum Air India Flug nach Paris um 21:05 Uhr bringen sollte.
    Eigentlich sollte man die Tablette eine Stunde vor Abflug nehmen, aber ich war mit dem Blister in der Hand sitzen geblieben, bis das Gate öffnete.

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