Toedliche Hoffnung
im Restaurant waren zwei Japanerinnen, die enthusiastischjeden neuen Gang fotografierten, der aufgetragen wurde.
Fast wäre mir ein marinierter Birnenhappen im Hals stecken geblieben, als der ältere Mann vom Vortag auf meinen Tisch zusteuerte.
»Herzlich Willkommen, ich hoffe, es schmeckt Ihnen. Sind Sie zum ersten Mal hier?«, fragte er und tätschelte sich den Bauch.
Offenbar erkannte er mich nicht, allerdings hatte ich auch nicht an Make-up gespart. Das Kleid war figurbetont und konnte als elegant durchgehen, außerdem hatte ich eine billige Silberkette mit einem garantiert unechten Stein gefunden, der sich perfekt in den Ausschnitt schmiegte. Ich zwang mich zu einem lieblichen Lächeln.
»Ja, es ist das erste Mal, aber ein Kollege hat Sie mir empfohlen. Ein amerikanischer Journalist, er war vor zwei Wochen hier.«
»Wie schön.«
Sein rundes und rot geädertes Gesicht verriet keine Regung. Ich hatte die plötzliche Eingebung, ihn mit Monsieur anzureden, wie damals. Er trug den gleichen, stramm gebundenen Schlips um den Hals, hatte dieselben, gespannten Sehnen unter dem Kinn. Und plötzlich sah ich ihn in allen Kellnern, die sich durch den Raum bewegten, in der strengen Ordnung und ihrer unterwürfigen Kriecherei vor den Gästen. Das aufgesetzte Lächeln, das ich in etwas anderes hatte umschlagen sehen, wenn er zu meiner Mutter und mir nach Hause kam und seinen Hemdkragen lockerte.
Genau in diesem Moment klingelte mein Handy. Alle Blicke richteten sich auf mich. Ich tauchte unter den Tisch ab, suchte hektisch das Telefon und schaltete es aus. Es war Benji. Erst da fiel mir ein, dass er schon am Vortag angerufen hatte, als ich in dem zerbeulten Auto saß. Ich hatte völlig vergessen, ihn zurückzurufen.
»Möchten Sie die Schokolade vielleicht mitnehmen?«, fragte der erste Kellner, als ich meinen Kaffee getrunken hatte, ohne die Trüffel anzurühren.
Ich nickte.
»Ich werde Dan Brown von diesem Restaurant berichten, damiter in seinem nächsten Buch darüber schreibt. Dann werden mehr Amerikaner hierher finden.«
Ein letzter Versuch, der lediglich mit einem angestrengten Lächeln quittiert wurde.
»Aber ich habe gehört, dass sie vor einigen Wochen Probleme mit einem amerikanischen Journalisten hatten, Patrick Cornwall. Was ist da eigentlich vorgefallen?«
»Wir haben viele angenehme Gäste aus Amerika.«
»Anscheinend ist er hier nicht mehr willkommen – hat er die anderen Gäste belästigt?«
»Das müssten Sie den Oberkellner fragen.«
Ich war überzeugt davon, dass er und alle anderen Mitarbeiter wussten, was passiert war. Skandale verbreiteten sich an allen Arbeitsplätzen wie ein Lauffeuer, doch im Restaurant durfte niemand ein Wort darüber verlieren.
Als ich meinen neuen Mantel abholte, reichte mir die Dame mit dem Pagenkopf diskret ein Tütchen mit vier Schokoladentrüffeln.
Während Google nach Treffern für die Kombination Brand + Hotel + Paris suchte, beobachtete ich draußen die Touristen, die in endlosen Strömen vorbeizogen, und den Verkehr, der auf acht Fahrspuren zum Erliegen gekommen war. Ich hatte ein Internetcafé auf der Champs-Élysées gefunden und zwanzig Minuten für einen sündhaft teuren Computerplatz mit Aussicht auf die Prachtstraße anstehen müssen.
Eine lange Reihe von Schlagzeilen erschien auf dem Bildschirm. Die meisten davon stammten aus französischsprachigen Zeitungen, doch auch auf den englischen Nachrichtenseiten war viel darüber berichtet worden.
Mindestens 17 Tote bei Hotelbrand in Paris
Bei einem Hotelbrand in Paris starben in der letzten Nacht mindestens 17 Menschen. Viele der Gäste des einfachen Hôtel Royal im Stadtteil Saint-Ouen im nördlichen Paris waren afrikanische Einwanderer.Laut dem Radiosender France Info waren unter den Todesopfern
auch vier Kinder. Die Identifizierung der Leichen wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Immigranten vermutlich illegal im Land aufhielten. Man
geht davon aus, dass sich noch weitere Menschen in dem sechsstöckigen Haus befanden, bisher konnte die Polizei noch nicht mit Überlebenden sprechen.
»Es gab nur eine Treppe, das Hotel war eine Todesfalle«, sagt Jean-Marie Gilbert, Einsatzleiter der Feuerwehr.
Nach Angaben der Polizei gibt es Zeugenaussagen, die darauf hinweisen, dass es sich um Brandstiftung handelt. Der Brand brach in der Nacht zum Samstag um kurz vor Mitternacht aus. Mehr als zwanzig Einsatzwagen der Feuerwehr waren an den Löscharbeiten beteiligt, die in den frühen Morgenstunden
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