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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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nur ich dabei. Sie sammelten Geld für die Reise.«
    Jetzt hatte Salif wieder das Wort ergriffen, mit einem mechanischenKlang in der Stimme, als habe er die Geschichte schon oft erzählt.
    »Die Alten aus dem Dorf halfen auch dabei, Geld zu sammeln, vor allem für Sambala, weil seine Familie ärmer ist. Es ist am besten, nach Frankreich zu fahren, alle wollen dort hin. Senegal ist nicht so gut, dort bekommt man nur Arbeit als Baumwollpflücker. Ich will businessman werden. Mein Vater ging an die Elfenbeinküste, aber dort ist es auch nicht mehr gut, sie werfen alle Muslime raus.«
    Salif verstummte und aß den Rest seines Sandwiches. Arnaud übernahm.
    »Mali gehört zu den Ländern, die nicht gegen Menschenschmuggel vorgehen«, ergänzte Arnaud. »Warum sollten sie auch? Während der Kolonialzeit gehörten sie zu Frankreich, sie haben ihre Söhne jahrzehntelang hierher geschickt, und früher waren sie auch willkommen. Es gibt Dörfer, die Krankenhäuser und Schulen bauen, Elektrizität einführen und Brunnen bohren konnten, damit das ganze Dorf frisches Wasser hat – alles von dem Geld, das sie aus Frankreich geschickt bekamen.«
    Salif unterbrach Arnauds kleinen Vortrag, gestikulierte und hob seine Stimme.
    »Ich habe sie im Stich gelassen«, sagte er und Arnaud übersetzte. »Nachdem wir abgehauen waren und in die Moschee kamen, half der Imam uns, zu Hause anzurufen. Wir mussten unsere Familien warnen, sie bedrohten uns und unsere kleinen Geschwister, sagten, sie würden alle umbringen. Meine Mutter sagte, ich soll zurückkommen und arbeiten. Es gibt andere, die weggingen, wiederkamen und ihren Eltern ein Haus gebaut haben. Ein Teil kommt nicht wieder. Nach einigen Jahren hört man auf, von ihnen zu reden, sie haben keinen guten Ruf, weil sie ihre Familien im Stich gelassen haben.« Salif massierte seinen Kopf, einen kahl rasierten Schädel. Ich fragte mich, ob er vor dem Brand Haare gehabt hatte.
    »Ich bin ein toter Mann«, wimmerte er.
    »Er meint, dass er für seine Verwandten ein toter Mann ist«, erklärteArnaud, »keiner wird erfahren, dass er lebt. Wenn er als tot gilt, sucht niemand nach ihm. Aber dann ist seine Familie vielleicht sicher.«
    »Weiß er, wer dahintersteckt?«, fragte ich. »Hat er mit Patrick darüber gesprochen?«
    »Du kannst nicht von ihm verlangen, dass er sich erinnert«, antwortete Arnaud. »Du musst verstehen, was er durchgemacht hat, er steht doch unter Schock.«
    »Frag ihn«, befahl ich.
    Salif knetete noch immer seine Kopfhaut, aber seine Stimme klang weniger mechanisch. Ich begann, mich an seinen ulkigen Akzent zu gewöhnen. Es klang, als würde er die Worte aus den Sätzen heraushacken, um sie dann wie Seifenblasen aus dem Mund zu pusten.
    »Es waren nicht die Männer, die uns holten. Auf dem Weg nach Norden wechselten sie mehrmals. An der Grenze zu Algerien übernahmen die Tuareg, dann verschwand unser trolley, unser Begleiter, ein Mann, mit dem Checknas Familie verwandt war, ein Cousin eines Cousins. Es kam ein neuer trolley , ein connection man. Wir mussten ihnen unsere Pässe und noch mehr Geld geben, um die Wachposten und die Zöllner zu bestechen, sagten sie, und die Banden in der Wüste. Auf einer überdachten Ladefläche fuhren wir nach Marokko. Wir waren gezwungen, drei Wochen in Rabat zu bleiben, ich weiß nicht, was dort schieflief. Eines Nachts machte die Polizei eine Razzia in dem Haus, in dem wir wohnten, und wir wurden zurück an die algerische Grenze gefahren, in die Wüste nahe Oudja, wo mehrere Hundert andere Menschen warteten. Drei Tage später kamen wir auf einem Transport nach Libyen mit. Sie sagten, man könne von dort per Schiff nach Italien gelangen, und ab da wäre es nicht schwer, sich in einem Lastwagen zu verstecken und nach Frankreich zu gelangen. In Paris leben viele Menschen aus dem Norden Malis, sie helfen einem dabei, Jobs und Wohnungen zu finden. Sambala sagte, dass er sich bei Paris Saint-Germain bewerben wollte, der Fußballmannschaft.«
    »Frag, was in Paris geschah«, sagte ich, weil ich den Prozess beschleunigenwollte. Arnaud winkte abwehrend und Salif redete weiter, ohne Luft zu holen. Wie Scheherazade trieb er den Tod vor sich her, dachte ich, seine Erzählung hielt ihn bei den Lebenden.
    »Sie hieß Ariadne , ein großes Frachtschiff. Am Tag zuvor sah ich sie von Land aus. Unser connection man zeigte sie uns. Wir hatten mehr Glück, als wir uns erträumen konnten, denn die Ariadne sollte direkt nach Frankreich fahren – nach

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