Toedliche Hoffnung
verbundenen Hand gegen die Wand. Das musste höllisch an seinen Verbrennungen schmerzen.
»Weißt du, wer die anderen waren? Weiß Patrick es?«
Salif nickte. »Er fragte nach dem safe house. Nach der Hausnummer. Danach, was auf dem Lkw stand. Er stellte Fragen zu allem. Wo das Abrisshaus lag, an dem wir gearbeitet hatten. Ich zeigte ihm auf der Karte, welchen Weg ich gerannt war. Ich erinnerte mich genau daran, weil ich die Straßen zählte. Ich wollte wissen, wo ich war.«
»Wann genau war das alles?«
Salif stampfte mit den Füßen auf die Matratze und wandte sich hilfesuchend an Arnaud. Offenbar hatte er sein Zeitgefühl verloren.
»Das erste Mal ist ungefähr einen Monat her«, sagte Arnaud.
»Und das letzte Mal, was sagte Patrick da?«
»Es war schön dort, eigene Betten«, sagte Salif. Er schien die Frage nicht zu hören, seine Erzählung hatte eine eigene, vorbestimmte Richtung.
»Ich lag auf dem Bett und las. Der Amerikaner hatte mir ein paar Bücher besorgt. Plötzlich hörte ich auf dem Flur ein Scheppern und einen Knall. Dann nahm ich den Geruch und die Hitze wahr. Verstehst du, ich spürte beides auf einmal. Das Feuer explodierte. Ich rannte in den Flur hinaus, die Treppe brannte vollständig. Natürlich schrie ich, lief zurück und zerrte die anderen aus den Betten, rannte erneut in den Flur und klopfte an die Türen, um alle zu wecken, die dort wohnten. Die Treppe konnte ich nicht nehmen, überall war Feuer. Hinter der Treppe lag ein Vorsprung mit großen Fenstern, und ich dachte mir, wenn ich dorthin komme, kann ich vielleicht die Fenster einschlagen und hinausspringen, und die Familie, die in der Wohnung darunter wohnt, kann ihre Kinder nach unten werfen und ich fange sie auf, das Mädchen, das gerade Laufen gelernt hat und den Jungen, der sechs Jahre alt ist und sagt, er wäre Zidane, wir haben im Flur zusammen Fußball gespielt, Sambala, er und ich, aber ich komme nicht durch den Absatz und das Fenster nach draußen, denn dort wütet das Feuer noch stärker. Es verbrennt meine Hände. Es liegt haufenweise Gerümpel herum, das dort brennt, Tüten und Stühle. Ich weiß, dass am Abend zuvor nichts davon da gewesen war, denn wir hatten auf dem Vorsprung gesessen, die Fenster weit geöffnet, und über Frauen gesprochen, Sambala, Checkna und ich. Und nun stehe ich dort und sehe die Stühle brennen und weiß, dass jemand sie angezündet hat. Da spüre ich, wie sie sich an mir vorbeidrängen, Sambala und Checkna schreien und rennen die Treppen hinab, direkt in die Flammen.« Salif schlug sich mit den Handflächen auf die Wangen. »Ich schrie, aber sie kamen nicht zurück, und das Feuer schlug mir entgegen, ich konnte nichts tun. Ich sprang nach oben, die letzten Treppen hinauf. Ich wusste, dass man von dort aus aufs Dach gelangen konnte.« Er sah von Arnaud zu mir. »Das hatte ich vorher geprüft. Ich bin nicht gern eingesperrt. Dann schlafe ich nicht gut. Im safe house, wo alle Türen verschlossen waren, schlief ich gar nicht gut.«
»Ich verstehe genau, was du meinst«, sagte ich.
Salif sprach weiter in Richtung Fernseher, als hätte er sich währendder Wochen in der Wohnung, wo es nichts anderes gab, auf diese Blickrichtung fixiert.
»Ich konnte nirgendwo Feuerwehrleute auf den Straßen sehen. Ich hatte das Handy, das ich von Arnaud bekommen hatte, ich rief ihn vom Dach aus an, aber er ging nicht ran.« Er sah zu Arnaud hinüber, der seine Hände betrachtete. »Dann rief ich Patrick Cornwall an. Er hatte mir zwei Nummern gegeben, die ich im Telefon gespeichert hatte. Die erste war besetzt, aber als ich die zweite wählte, ging er ran. Ich schrie, dass er uns helfen müsse. Dann sprang ich.« Salif verzog sein Gesicht in der Erinnerung an den Schmerz, den er erlitten hatte, als er auf dem niedrigeren Haus landete und sich das Bein brach.
»Am Nachbarhaus gab es eine Feuerleiter. Ich versteckte mich auf der Rückseite zwischen zwei Schuppen. Dann kam die Feuerwehr. Ich lag lange in meinem Versteck und wagte es nicht, hervorzukommen. Dann hörte ich jemanden meinen Namen rufen, es war der Amerikaner. Als er in der Nähe war, rief ich leise. Ich hatte Angst, dass mich jemand entdecken würde, die Polizei oder diese Männer. Der Amerikaner hörte mich. Er war sehr aufgebracht, sein Gesicht war tränenüberströmt.«
Ich bohrte meine Nägel in die Handflächen.
»›Entschuldige, entschuldige‹, sagte er, er sprach Englisch und Französisch durcheinander, aber ich verstehe kein Englisch. Es
Weitere Kostenlose Bücher