Toedliche Hoffnung
Bürgersteig wellte sich unter meinen Füßen, als hätte sich der Boden damals aus Protest aufgebäumt, als das Kopfsteinpflaster gelegt wurde. Kleine Stände, an denen geröstete Maronen verkauft wurden, verbreiteten einen Geruch nach Verbranntem.
Diesmal wollte ich nicht warten, bis ich zur Polizei ging, ich wollte nicht länger unschlüssig sein und die Dinge aufschieben und Rücksicht auf Patricks Meinung nehmen. Josef K. war von einer Terrasse hinabgestürzt. Und auch wenn die Polizei glaubte, es sei Selbstmord gewesen, so mussten sie dennoch zumindest eine Ermittlung einleiten.
»Ich habe Informationen zu einem Mord«, sagte ich, als ich im Polizeirevier an der Reihe war. »Ein Mann aus der Ukraine wurde vor zwei Wochen hier in Lissabon ermordet.«
Der Mann am Empfang hob die Augenbrauen und stellte einige Routinefragen zu Namen und Adresse. Dann griff er nach dem Telefonhörer, und sieben Minuten später wurde ich von einem uniformierten Beamten abgeholt, der mich durch fünf Korridore lotste, kreuz und quer durch das Gebäude, sodass ich mich am Ende drei Treppen höher auf der entgegengesetzten Seite befand, mit Aussicht auf den Fluss Tejo.
Kommissar Helder Ferreira stand auf dem Schild neben der Tür. Der Mann, der mich empfing, war in den Vierzigern und in zivil mit Hemd und Schlips; sein Bauch hatte begonnen, über den Hosenbund hinauszuwachsen.
»Sie haben also Informationen zu Michail Jetjenkos Tod?«, sagte er in ausgezeichnetem Englisch und begrüßte mich mit einem kräftigen Händedruck.
»Aha, das ist also sein richtiger Name?«, sagte ich.
Der Polizist zeigte auf einen Holzstuhl mit gerader Lehne und geflicktem Ledersitz, er selbst nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
»Und was wissen Sie über Jetjenko?«, fragte er.
Ich setzte mich.
»Ich weiß, dass er aus der Ukraine kam«, antwortete ich. Ich hatte beschlossen, alles zu berichten, was ich wusste. Was die flüchtige Nedjma davon hielt, war nicht mein Problem. »Er versteckte sich in Lissabon, weil er aus einem kriminellen Netzwerk ausgestiegen war, das Menschenhandel und Sklaverei betreibt. Und er war bereit, einem amerikanischen Journalisten ein Interview zu geben.«
Der Kommissar nahm einen Kugelschreiber von seinem Schreibtisch. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und klopfte mit dem Stift in die Handfläche.
»Jetjenko hat sich nicht umgebracht«, sagte ich. »Er hatte sein altes Leben bereits hinter sich gelassen und wollte einen Neuanfang machen. Man hat ihn in eine Falle gelockt.«
»Und wie kommt es, dass Sie das alles wissen?«
»Mein Mann sollte ihn interviewen.«
»Sind Sie auch Journalistin?«, fragte er und richtete die Kugelschreiberspitze auf mich.
»Nein.« Ich sah aus dem Fenster, draußen waren massive Gebäude aus Stein zu sehen und eine Statue von einem Mann auf einem Pferd, den Rücken zu uns gewandt. Dahinter lag ein Fluss, der so breit war wie ein kleines Meer und in den Atlantik mündete, jenen Ozean, der mein altes Leben von dem fremden trennte, in dem ich mich gerade befand.
»Ich bin Bühnenbildnerin«, sagte ich. »Ich entwerfe Theaterkulissen.«
»Aha!« Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Kommissar Ferreiras Gesicht aus. »Ich liebe das Theater. Meine Mutter war Schauspielerin.«
»Was wissen Sie über Jetjenkos Tod?«, fragte ich. »Haben Sie Spuren, gibt es Zeugen?«
Helder Ferreira klickte mit dem Kugelschreiber.
»Es gibt einen Verdächtigen«, sagte er, »den wir aber noch nicht gefunden haben.«
»Wen denn?«
»Wir fahnden nach einem schwarzen Mann.«
Ich starrte ihn an.
»Warum das denn?«
Er runzelte die Stirn und blickte mich forschend an. Meine Wangen wurden heiß.
»Die Zeugen haben ihn am Tatort gesehen«, sagte der Kommissar. »Einige wollen sogar mit Sicherheit beobachtet haben, wie er Jetjenko herunterstieß.«
Ich beugte mich langsam nach unten und öffnete meine Tasche, wühlte nach dem Foto. Sah Patrick in die Augen, bevor ich mich aufrichtete und es auf den Tisch legte. Zwei Ecken des Fotos waren abgeknickt, und ein großer Fleck auf seiner linken Brust zeugte von meinem hochprozentigem Abend in Harry’s New York Bar .
Ich registrierte ein Zucken im Gesicht des Kommissars, als er sich vorbeugte und Patricks Gesicht ansah.
»Wer ist das?«
»Könnte er es gewesen sein?«
Er hob das Foto hoch, runzelte die Stirn.
»Das ist mein Mann«, sagte ich. »Patrick Cornwall, freier Journalist aus New York.«
Helder Ferreira betrachtete das Foto eingehend und hob
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