Toedliche Intrige
seinen breiten Hosenträgern, die meines Wissens schon lange aus der Mode waren. Er schaute mich so forschend an, als sei ich mehr auf ihn angewiesen als er auf mich. Er beschrieb sein Unternehmen und erklärte stolz, wie er sich nicht nur die Kabeljauquoten, sondern auch die Quoten für diverse andere Fischarten in ganz Island an Land gezogen hatte, zum größten Teil aus den Westfjorden. Er ließ sich darüber aus, dass er sich manchmal vertraglich verpflichten musste, die quotenführenden Schiffe in den Heimathäfen zu belassen, um die Fischverarbeitungsbetriebe nicht zu gefährden, die an diesen Orten die Grundlage des Erwerbslebensbildeten. »Aber an solche Verträge haben wir uns natürlich nicht gehalten«, sagte er und zog an den Hosenträgern. »Als wir die Quoten übernahmen, wussten alle ganz genau, dass die Verträge nie wirksam würden. Es ist nicht unsere Sache, diese verstreuten Landgemeinden am Leben zu halten. Unsere Sache ist es, am Fischfang zu verdienen. Wird ja auch langsam Zeit, dass jemand mal was am Fisch verdient.«
Bevor ich nach Akureyri flog, um mich mit ihm zu treffen, hatte Bettý mir gesagt, dass er sich im Grunde genommen für nichts anderes interessierte als sich selbst, und ich fand ihn abstoßend. Aber da war etwas an ihm, vielleicht war es das Ungehobelte und Grobe, was mein Interesse weckte, ähnlich wie einen gefährliche Tiere faszinieren.
Ich verabscheue Männer wie Tómas Ottósson Zöega. Männer, die auf alle um sich herum herunterschauen und der Meinung sind, dass es niemand mit ihnen aufnehmen kann.
In gewissem Sinne war seine Haltung vielleicht sogar verständlich, denn er hatte sich aus bitterster Armut hochgearbeitet und gehörte jetzt zu den reichsten Männern des Landes. Er war einer der Ersten gewesen, die begriffen, wie das Quotensystem funktionierte, und damit anfingen, Quoten aufzukaufen und anzuhäufen. Die meisten anderen sahen im Quotensystem einen schnellen Profit, den sie, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, sich in barer Münze auszahlen ließen. Tómas Ottósson Zöega war seiner Zeit um Jahre, wennnicht Jahrzehnte voraus. Er war bereits ziemlich wohlhabend, bevor das Quotensystem eingeführt wurde. Zusammen mit vier anderen, die er später ausbezahlte, hatte er ein Fangschiff gekauft, war selber als Kapitän zur See gefahren und hatte das Fangglück auf seiner Seite gehabt. Seine Flotte vergrößerte sich, Trawler kamen hinzu, und als das Quotensystem eingeführt wurde, stand Tómas bereits in den Startlöchern. Das Unternehmen vergrößerte sich innerhalb von wenigen Jahren entsprechend dem Zuwachs der Quotenanteile, die er sichern konnte. Jetzt ging es wieder um die Ausweitung des Wirkungsbereichs, diesmal außerhalb der Landesgrenzen.
Über sein Privatleben wusste ich weniger, als ich ihm in seinem Büro gegenübersaß. Ich überlegte, was zum Kuckuck ich eigentlich da verloren hatte. Ich hatte frühmorgens die Maschine nach Akureyri genommen. Eine Woche war vergangen, seitdem ich Bettý in ihrem Palazzo im Þingholt-Viertel getroffen hatte. Es war mir gelungen, sie von mir wegzuschieben, sie hatte den Rock glatt gestrichen und dabei so neckisch gelächelt, als sei alles nur ein Scherz gewesen. Ich war verwirrt und schockiert. Nie zuvor in meinem Leben war eine Frau so unumwunden zur Sache gekommen, und ich zerbrach mir den Kopf darüber, was für Informationen sie über mich hatte, bevor sie nach meinem Vortrag auf mich zukam. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr beschäftigte mich diese Frage. Hatte sie etwas über mein Privatleben in Erfahrung gebracht? Es war durchaus nicht ungewöhnlich, dass sie meinen Namen kannte und über meine Ausbildunginformiert war, aber was wusste sie über mich privat? Hatte sie mit meinen Freunden gesprochen? Warum war ihre Wahl auf mich gefallen? Was in aller Welt sah sie in mir, das ihr von Nutzen sein konnte?
Damals wusste ich so gut wie nichts über sie. Irgendwann einmal hatte ich in irgendeinem Wartezimmer eine Klatschgeschichte über sie und Tómas Ottósson in einer beliebten Illustrierten gesehen. Da war die Rede von der neuen Liebe im Leben des Fangquotenkönigs oder etwas in dem Stil. Das Foto war auf einem Ball unter der Glaskuppel im Luxusrestaurant Perlan aufgenommen worden, sie schmiegte sich lächelnd an ihn. Auch er hatte vor der Kamera die Zähne lächelnd entblößt und hielt Bettý so fest im Arm, als wäre sie sein Quotenbesitz. Sie trug diesen seltsam fremd wirkenden Namen Bettý.
Weitere Kostenlose Bücher