Toedliche Intrige
Tómas Ottósson hatte sich gerade von seiner Gattin Nummer zwei scheiden lassen. Er hatte keine Kinder.
Das Strahlemann-Foto in der Illustrierten zeigte nicht, dass er seine Bettý manchmal verprügelte.
Das hatte sie mir in ihrem Palazzo gesagt, kurz bevor wir das Haus verließen. Nach dem Zwischenfall im ehelichen Schlafzimmer war ich ziemlich verlegen, und sie schien zu spüren, dass ich mich irgendwie unwohl fühlte. Sie selbst sah aus, als sei nicht das Geringste vorgefallen. Wir standen in der Eingangshalle, und ich wollte gerade die Haustür öffnen. Sie aber schob sie wieder zu.
»Er schlägt mich manchmal«, sagte sie.
»Was?«, sagte ich.
»Du hast im Hotel nach dem blauen Fleck gefragt. Er hat mich geschlagen. Hier.«
Vorsichtig legte sie zwei Finger an den Wangenknochen, um mir zu zeigen, wo der Hieb gelandet war.
»Und anschließend hat er das Wehwehchen geküsst«, sagte sie. »So drückt er sich immer aus. >Lass mich einen Kuss aufs Wehwehchen drücken.< Und ich habe es ihm gestattet. Er ist sehr gut zu mir. Er liebt mich. Er sagt, er würde mich umbringen, wenn ich ihn verlasse.«
Ich starrte sie an.
»Und ich liebe ihn über alles«, fügte sie hinzu. »Du darfst mich nicht missverstehen. Es ist wahr.«
Sie war wieder ganz dicht an mich herangetreten. Ich hielt immer noch die Türklinke in der Hand. Sie klang so, als sei es ihr ernst mit jedem Wort.
»Aber das da eben«, sagte ich und spürte wieder die Hitze in mir aufwallen. »Das eben da oben. Du bist also ...?«
»Findest du etwas dabei?«, fragte sie.
»Warum sollte ich für einen Mann wie ihn arbeiten?«, fragte ich zurück.
»Du verlierst bestimmt nichts dabei.«
»Zwischen euch ist doch bestimmt ein Altersunterschied von zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren«, sagte ich. »Was steckt da bei dir dahinter?«
»Tu es bitte, für mich«, sagte sie. »Du wirst es nicht bereuen. Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst.«
Sie lehnte sich zu mir herüber und küsste mich leicht auf die Wange. Ich packte den Türgriff fester und stieß endlich die Tür auf.
»Ich melde mich wieder«, sagte sie, als ich die Treppe hinunterlief.
Und jetzt saß ich da in dem Büro ihres Mannes und hatte keinen blassen Schimmer, auf was ich mich eingelassen hatte.
»Du hörst mir gar nicht zu, oder?«, sagte Tómas Ottósson Zöega und lehnte sich zurück. Er redete von wachsenden Kostenfaktoren, zumindest glaubte ich das. Ich befand mich mit meinen Gedanken ganz woanders, nämlich bei dieser seltsamen und verführerischen Szene mit seiner Frau im Palazzo. Ich ging mit seiner Frau fremd, während er mir in seinem eigenen Büro gegenübersaß.
»Oh, entschuldige«, sagte ich. »Es ist nur ... meine Mutter in Reykjavik ist krank, und ich habe an sie gedacht. Entschuldige bitte.«
Sein Büro war funktional eingerichtet. Nur an einer Wand standen zwei breite Eichenschränke mit Glastüren, in denen sich, wie Bettý mir später sagte, lediglich ein Teil von Tómas Zöegas Waffensammlung befand. Ich versuchte, nicht zu auffällig hineinzustarren. Nie in meinem Leben hatte ich derartig viele Waffen an einem Ort gesehen.
»Es handelt sich selbstverständlich nur um eine zeitlich begrenzte Aufgabe, aber du musst währenddessen voll und ganz für mich da sein. Falls du andere Projektelaufen hast, bestehe ich darauf, dass du sie dir vom Hals schaffst«, erklärte Tómas. »Wir sprechen davon, dass du mindestens ein Jahr für mich und meine Firma arbeitest. Du bekommst ein Büro hier in diesem Haus und ebenso einen Arbeitsplatz in unseren Räumen in Reykjavik. Hier in Akureyri besitzen wir ein kleines Haus, ein Reihenhaus, das dir zur Verfügung steht. Es bedeutet wahrscheinlich viel Hin-und Herfliegerei. Also, die Firma ist ...«
Ich saß ihm gegenüber und nickte zustimmend an den Stellen, wo es mir passend erschien, aber in meinem Kopf wirbelten die Gedanken umher. Ich dachte darüber nach, wie ein Mann wie er es über sich bringen konnte, über eine Frau wie Bettý herzufallen. Ob ein Mann wie er, der so viel älter war, eine Frau wie Bettý überhaupt verdient hatte. Und was ging in Bettý selber vor? Wie brachte sie es über sich, mit einem Mann wie Tómas zusammenzuleben? Ich konnte nicht sehen, dass sie irgendetwas gemeinsam hatten. Sie so schön, so feminin und irgendwie auch so einsam und verwundbar, aber manchmal auch wie ein Raubtier, wenn ihr der Sinn danach stand. Er dagegen war ein typisch männliches Testosteronpaket, aggressiv und
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