Tödliche Investitionen
herunter, an ihrem Mantel, und wurde noch röter.
In diesem Moment klingelte das Telefon. Sie lief zu einem der Tische, die mitten im Büro standen. Nahm den Hörer ab, während Frølich sich hinter ihr aufs Sofa fallen ließ. Er blickte ins Fenster, um dort ihr Spiegelbild zu betrachten.
»Nein, er war heute noch nicht hier«, sagte sie formell und wollte auflegen. Aber so weit kam sie nicht.
»Was sagen Sie?«, rief sie plötzlich aufgeregt mit einer hohen Fistelstimme und bewegte sich nervös, weil kein Stuhl in Reichweite war.
»Kann ich mir denken, jaja, sicher.«
Zu Beginn des Gesprächs kamen die Floskeln noch einigermaßen aufrichtig, aber je länger es dauerte, umso weniger schien sie zu meinen, was sie sagte. Sie wand sich immer mehr, und es war nicht zu übersehen, wie schwer es ihr fiel, das Telefonat zu beenden.
Als sie endlich auflegte, blieb sie verwirrt stehen und knabberte an einem Nagel, während sie die andere Hand krampfhaft zur Faust ballte. Es sah aus, als hätte sie ein Problem.
»Sie kommen offenbar doch zu spät«, sagte Franken.
Ihre Zähne ließen von dem Fingernagel ab. Stattdessen biss sie sich auf die Unterlippe. »Ja, wahrscheinlich.«
»Mit wem haben Sie gerade gesprochen?«, fragte er, ohne sich seiner Neugier zu schämen.
»Mit der Frau von Egil Svennebye. Unserem Marketingchef.«
Sie setzte sich ein Stück von ihm entfernt steif auf eine Stuhlkante. »Sie macht sich Sorgen. Er ist gestern nicht nach Hause gekommen. Sie behauptet, er sei verschwunden.«
Sie lächelte mit gesenktem Blick. Frank Frølich wartete, bis sie ihn ansah. »Hat sie die Polizei angerufen?«
Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. »Sie will die Polizei wohl nicht mit hineinziehen.«
»Aber sie klang doch ziemlich aufgeregt?«
»Sie war aufgeregt«, bestätigte die Lisa Stenersen nachdenklich. »Vielleicht könnten Sie kurz mit ihr reden?«
Frølich erwiderte ihren Blick. »Wir können nicht viel ausrichten, wenn sie es nicht selber will.«
»Aber vielleicht beruhigt sie sich dann ein bisschen«, meinte Lena Stenersen optimistisch. Sie hatte das Stück Papier zu einer kleinen Kugel zusammengeknüllt. »Sie kam mir … verängstigt vor!«
Frølich nickte. »Wir würden ja auch gern ein paar Takte mit ihrem Mann reden, immerhin arbeitet er hier«, sagte er beruhigend. »Also kann ich ruhig mal bei ihm zu Hause vorbeischauen!«
Sie wirkte etwas erleichtert.
Frølich wechselte eilig das Thema. »Haben Sie mit Reidun Rosendal zusammengearbeitet?«
Die Frau warf einen raschen Blick auf ihre Uhr. »Nicht sehr eng. Reidun machte häufig Kundenbesuche. Ich habe vor allem mit der Korrespondenz zu tun.«
»Aber ein bisschen kannten Sie sich doch?«
»Sicher.«
Sie schauderte. Kniff die Augen zusammen. »Ist sie … ist sie gequält worden?«, fragte sie nervös.
Frølich erwiderte ihren Blick. »Das wissen wir nicht.«
Lena Stenersen faltete die Hände auf ihrem Schoß, murmelte mit geschlossenen Augen etwas. Ein Goldkreuz an einer Kette ruhte in ihrer Halsgrube.
»Sie war toll«, sagte sie schließlich.
»Attraktiv, meinen Sie?«
»Ja, schönes Haar, ein schöner Körper …«
Frølich hob den Zeigefinger und tippte sich an die Schläfe.
»Und hier?«
»Keine Ahnung.« Lisa Stenersen lächelte. »Da hat sicher auch nichts gefehlt, aber … sie hat sich bedeckt gehalten.«
Die Frau im Steppmantel starrte zu Boden. »Aus manchen Leuten wird man irgendwie nie schlau.« Dann plötzlich sagte sie heftig: »Die sehen einen an, so wie die Leute im Fernsehen einen ansehen. Es wird nichts Besonderes gesagt, und man weiß nie, ob sie wirklich mit einem reden.«
Frank Frølich nickte langsam. Lina Stenersen hätte im Nähkränzchen seiner Mutter verkehren können. Er konnte es sich gut vorstellen, wie die Worte tot zu Boden gefallen waren, wenn Reidun versucht hatte, mit ihr zu sprechen.
Er betrachtete ihr luftiges Haar, bemerkte die vielen Illustrierten neben der braunen Handtasche auf dem Tisch. Den Ehering, der sich leicht ins Fleisch des rötlichen Fingers eingegraben hatte. Lisa Stenersen, eine Repräsentantin des stummen Heeres, das alles über Baisers, Königskuchen, Englands betrübliches Königshaus und Unterarten der Weihnachtsbegonie weiß. Sie war mindestens dreißig Jahre älter als Reidun Rosendal. Ein Altersunterschied, der im Einzelfall nicht so wichtig, hier aber von Bedeutung war.
Lisa Stenersen fühlte sich unwohl und senkte den Blick.
»Aber offenbar war sie ja nicht ganz
Weitere Kostenlose Bücher