Tödliche Investitionen
dumm«, sagte er versuchsweise.
Sie schwieg.
»Hatte sie viele Verehrer?«
»Weiß nicht. Von einem festen Freund war jedenfalls nie die Rede. Sie und Bregård haben ein bisschen miteinander geturtelt. Aber so einen Ton war sie gewöhnt. Für Reidun waren Flirts und Techtelmechtel und so normal.«
Auf Letzteres folgte ein leicht verlegenes Lachen. Sie fügte hinzu: »Sie hat immer eine lockere Stimmung verbreitet.«
»Hatten Sie keinen sehr engen Kontakt?«
»Nein, das nicht.«
»Wissen Sie, mit wem sie sich hier am besten verstanden hat?«
»Mit Kristin Sommerstedt. Die arbeitet nicht bei uns«, fügte sie eilig hinzu. »Aber Sie haben sie sicher am Empfang gesehen.«
Er erinnerte sich an die Rezeptionistin mit dem Muttermal am Mund.
»Sie hatten einige Gemeinsamkeiten«, fügte sie hinzu und sah auf die Uhr. »Meinen Sie …«
»Ja, sicher«, versicherte er freundlich. »Alles klar. Wir melden uns, wenn wir noch Fragen haben.«
»Ich kann auch gerne auf die Wache kommen«, beteuerte sie und packte die Illustrierten und ihre Handtasche. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. »Es ist bloß, weil ich …«
»Kein Problem«, sagte Frølich und begleitete sie zum Fahrstuhl.
»Wollen Sie nicht …«, fragte sie verwirrt, als er nicht mit einstieg.
Er gab keine Antwort. Lächelte nur beruhigend und sah zu, wie die Fahrstuhltür sich hinter ihr schloss.
Elf
Frank Frølich durchquerte langsam das Zimmer. Es war eine spärlich möblierte Bürolandschaft: Schreibtisch und diverse Bürogeräte. Nur eine Besprechungsecke mit zwei Sofas und zwei gemütlichen Sesseln an einem Tisch brach mit dem Eindruck von Arbeitsplatz. Eine große Archivwand grenzte die Besprechungsecke ab.
Er ließ sich Zeit und studierte die Prospekte in den Ablagefächern. Las die Titel der Bücher in den Regalen und ging schließlich zum Archivschrank. Er probierte eine Schublade. Sie war abgeschlossen. Frank Frølich stutzte und versuchte eine andere. Alle Schubladen waren abgeschlossen. Er untersuchte das Schloß. Es war neu. An den Spalten zwischen Aktenschrank und Schubladen konnte er Spuren sehen. Die Ablage war aufgebrochen worden, und danach hatte jemand die Schlösser ausgewechselt. Warum aber sollte irgendwer sein Archiv abschließen wollen? Fünf Angestellte in einer kleinen Firma. Hatten die kein Vertrauen zueinander?
Das Licht fiel durch die Fenster auf zwei weitere Schreibtische. Auf dem einen war neben dem Telefon mit Klebeband ein weißer Papierstreifen befestigt. Reidun Rosendal. Ihr Name in zierlicher blauer Kugelschreiberschrift. Ihr Platz, dachte er und setzte sich auf ihren Stuhl. Er öffnete die Schubladen, sah alles durch, fand aber nichts Interessantes. Sie waren so gut wie leer. Kein Terminkalender. Keine persönlichen Dinge. Nur Kugelschreiber, ein Farbband für einen Drucker und einige Büroklammern. Eine leere Colaflasche kullerte durch die unterste Schublade, als er sie öffnete.
Ganz oben lag unter einer Glasplatte ein Passbild. Er hob die Glasplatte an, fischte das Bild heraus und betrachtete das Schwarz-Weiß-Bild. Das Gesicht im Halbprofil. Eine Frau, die den Kopf in den Nacken gelegt hatte und ihr dauergewelltes Haar zur Seite warf, als ob sie in den Spiegel schaute. Sie hatte einen eitlen Blick. Eine Frau, der ihr Spiegelbild gefiel. Aber sie war jung. Er legte das Foto auf den Tisch. Wie alt das Bild wohl war? Es stammte aus einem Automaten, und er ahnte einen leichten Schleier in ihrem Blick. Vielleicht war sie leicht beschwipst gewesen. Die Frau, die er tot auf dem Boden gesehen hatte, hatte widerspenstiges und relativ kurzes Haar gehabt. Das Bild war also nicht ganz neu.
Sie hatte es am liebsten von hinten, hatte Bregård gesagt. Frølich entdeckte etwas, was er in ihrem durchscheinenden toten Gesicht nicht gesehen hatte. Etwas, das das Foto hatte erfassen können. Etwas Besonderes mit dem Mund, den Lippen. Diese Kombination von Mund, Augen und Zähnen machte dieses Gesicht so sinnlich.
Wer sich an Bregård ein Beispiel nimmt, weiß nicht, was er verpasst, dachte Frølich und steckte das Bild in die Tasche.
In diesem Moment brummte der Fahrstuhl. Er hielt in seiner Etage an, und eine Frau betrat den Raum.
Zwölf
Auch sie eine Frau in den besten Jahren. Sie war hübsch, hatte volle Lippen und war dezent geschmink. Eine elegante Schultertasche schlug ihr gegen die Hüfte, während sie unter der Last von zwei Plastiktüten keuchte. Sie ließ sich auf einen Bürostuhl fallen, und erst dann entdeckte sie
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