Tödliche Investitionen
geht ihm nicht so gut!«, rief sie mit besorgtem Blick.
Der Kriminalhauptkommissar spürte, wie hinter seiner Stirn die Kopfschmerzen zunahmen.
»Machen Sie’s gut«, sagte er kurz, drehte sich auf dem Absatz um und verließ sie.
Siebzehn
Der Strom von Menschen, die aus der U-Bahn und hinauf zum Egertorget hasteten, war undurchdringlich. Am Fuße der Rolltreppe staute es sich. Menschen mit trägem Morgenblick und einer schwachen Energie, die sich unmittelbar außerhalb des Kopfes in nichts auflöst. Die U-Bahnfahrenden sehen nicht viel um sich herum. Frank Frølich stellte rasch fest, dass Sigurd Klavestad nicht ans U-Bahnfahren gewöhnt war. Er war ein Bauer in der Stadt. Der Kerl stellte sich auf die linke Seite der Rolltreppe und verstellte denen, die wenig Zeit hatten und einen Bus erwischen mussten, den Weg. Die Menge drückte von hinten. Ein rabiater Mann mit Hut schubste den Kulaken nach rechts. Klavestad ließ die Leute höflich vorbei und trat zurück an seinen alten Platz. Esel, dachte Frank Frølich.
Draußen angekommen, blieb Sigurd Klavestad stehen und sah sich um. Schließlich ging er mit langen Schritten in Richtung Karl Johans Gate. Er bewegte sich schaukelnd, mit geradem Rücken. Frølich konnte nicht umhin ihn mit Finanzplaner Bregård zu vergleichen, diesem Breitmaul. Der Finanzplaner neben Sigurd Klavestad. Schnurrbart gegen Pferdeschwanz und Bart. Frank Frølich merkte, wie die Mädchen sich nach dem Mann umsahen. Sigurd hatte offensichtlich Chancen bei den Frauen. So viel stand fest. Er war ein sensibler Typ, Frauen sehen so was wohl. Er war ja auch gleich zu Reiduns Arbeitsplatz gerannt, um sich jemanden zum Reden zu suchen. Dann hatte er über einem Glas Rotwein mit Frau Sommerstedt Händchen gehalten und seinem Kummer Luft gemacht. Softie. Er sprach sicher so gern über seinen Ödipuskomplex wie andere über ihre letzte Grippe.
Frank Frølich stellte sich vor, wie Bregård am Sonntagmorgen durch den Wald streifte. Ein Finanzplaner am Waldsee. Wahrscheinlich saß er auf einem Klappstuhl vor einem Loch im brüchigen Eis, auf dem Kopf eine Mütze mit Ohrenklappen, und dann weiter zum nächsten Loch, um einen Barsch oder eine Forelle herauszuziehen. Nein. Dafür war Bregård nicht der Typ. Er war vermutlich eher Jäger. Ja, Jäger. Das passte zum Schnurrbart.
Und diese vollkommen unterschiedlichen Typen waren also von derselben Frau erhört worden. Von der Frau, die sich überall anpassen konnte. Ein Chamäleon? Heute angezogen wie ein Schulmädchen, hatte Bregård gesagt, morgen wie der fleischgewordene Traum der Knastbrüder. Himmel, woher nahm der Kerl dieses Bild? Wie er das gesagt hatte, Knast, vielleicht war ihnen dieser Fisch schon irgendwann einmal ins Netz gegangen?
Sigurd Klavestad blieb vor einer Bank beim winterlich trockenen Springbrunnen in Spikersuppa stehen und setzte sich schließlich. Frank Frølich kaufte am Kiosk an der Ecke Rosenkrantz’ Gate einen Schokoriegel und eine Zeitung. Lehnte sich dann an einen Baum, während der andere bewegungslos auf der Bank saß und kleine Zigarettenrauchwölkchen in die Ozonschicht schickte.
Frølich dachte an den misshandelten Oberkörper der Toten und wunderte sich über die fehlende persönliche Note ihrer Wohnung. Nur ein einsames Regal, in dem zahlreiche Bücher aus dem Buchclub standen. Ungelesen und mit steifem Papier. Blaue, handgetöpferte Weinbecher, hübsch und dekorativ aufgestellt. Nichts an den Wänden, abgesehen von zwei breitkrempigen Damenhüten, auf denen eine dicke Staubschicht lag, und einem Spiegel mit schönem Rahmen. Ein paar Platten, die von einem eher chaotischen Geschmack zeugten: Housemusic neben Pavarotti, Randy Crawford und Lillebjørn Nilsen. Wahrscheinlich hatte sie überhaupt keinen Geschmack gehabt. Aber was hatte ihr Persönlichkeit verliehen?
Kleider, dachte er. Kleider und ihr Skizzenblock. Den hatten sie in ihrer Handtasche gefunden. Einen Block mit Zeichnungen und Karomuster. Auch die zeigten Kleider, Jacken und Röcke an mageren Körpern in groben Kohlestrichen. Er gehörte auf jeden Fall ihr. Unbegreiflich für ihn, aber menschlich.
Frølich sah auf die Uhr. Klavestad hatte sich schon seit über einer Stunde nicht gerührt. Er merkte, dass die Schokolade seinem Magen nicht ausreichte. Das Hungergefühl machte ihn unruhig, und er begab sich zu einer Gruppe von Leuten, die sich mit Transparenten auf dem Eidsvollsplass aufstellten.
Endlich ragte dort unten der Kopf über die Hecke. Frank
Weitere Kostenlose Bücher