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Tödliche Investitionen

Tödliche Investitionen

Titel: Tödliche Investitionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Ein Schneidezahn hatte ein wenig Lippenstiftfarbe abbekommen. Er leuchtete rot in diesem weißen Mund.
    Gunnarstranda stellte sich vor und wurde nach einem Moment des Zögerns hereingebeten. Sie ging vor. Ihr enger Rock spannte über dem Hintern und betonte ihr leichtes Übergewicht. Ihre Fußknöchel waren dick. Im Wohnzimmer setzte sie sich auf einen hohen Hocker an eine Art Bar. Hier verzehrte sie eine halbe Selleriestange, die mit etwas Mayonnaiseähnlichem bestrichen war, sah den Polizisten schräg an und sprach: »Ich kann mich nicht erinnern, die Polizei gerufen zu haben!«
    Das war reine Provokation. Sie rieb sich die Finger an einer Serviette ab. Ihre Stimme war schrill und passte gut zu ihr.
    »Ist Ihr Mann auch früher schon auf diese Weise verschwunden?«
    »Wer behauptet, er sei verschwunden?«, schrillte sie. Ihre dünne Oberlippe konnte sich kaum so schnell bewegen und blieb wieder an ihrem Schneidezahn hängen. Schweigen trat ein, als der Polizist keine Antwort geben wollte. Gedämpfter Lärm von spielenden Kindern unten zwischen den Blocks drang zu ihnen herein. Die Frau drehte sich um, nahm sich eine weitere Selleriestange, brach sie durch und kaute laut.
    »Wann haben Sie Ihren Mann zuletzt gesehen?«, fragte Gunnarstranda, als sie fertig gekaut hatte. Er hatte sich nicht gesetzt, sondern war mit den Händen in der Manteltasche in der Tür stehen geblieben.
    »Montagmorgen, ehe er zur Arbeit gegangen ist.«
    »Hatten Sie irgendeinen Grund zu der Vermutung, dass er am Montag nicht nach Hause kommen könnte?«
    »Gar keinen.«
    »Kein Streit, keine überraschenden Ereignisse innerhalb der Familie?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Er hat also ganz normal gewirkt, ehe er zur Arbeit gegangen ist?«
    »Ja.«
    »Ich muss Sie noch einmal fragen: Ist so was schon früher vorgekommen?«
    Ihre Lippen bebten. Sie nahm die Brille ab, und Gunnarstranda registrierte, dass sie damit auch ihre Maske abgelegt hatte. Sie versuchte, sich zu beherrschen, schaffte es aber nicht, und plötzlich strömten die Tränen über ihre überschminkten Wangen.
    Gunnarstranda wartete geduldig, aber mit einem Finger trommelte er bereits leise auf seinem linken Oberschenkel. Diese schlecht verhohlene Ungeduld gab schließlich den Ausschlag. Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Jackenärmel und wischte sich hektisch die Augen.
    »Trinkt er?«
    »Was?«
    »Trinkt er?«
    »Was erlauben Sie sich!«
    »Mäßigen Sie sich, Gnädigste!«
    Er war einen Schritt vorgetreten, nahm aber die Hände nicht aus den Taschen. »Ich bin Polizist«, sagte er kalt. »Natürlich kann Ihrem Mann etwas zugestoßen sein. Aber das ist wenig wahrscheinlich, da Sie ihn nicht vermisst gemeldet haben. Also bleiben uns drei Möglichkeiten. Entweder ist er bei einer anderen, oder er liegt irgendwo sturzbetrunken, oder er hat Dreck am Stecken. So einfach ist das. Und wenn es eine Frau wäre, dann wüssten Sie das und hätten sich nicht im Büro nach ihm erkundigt.«
    Er wandte sich zum Fenster, sah sich im Zimmer um. »Ich ermittle in einer Mordsache, wo es Verbindungen zum Arbeitsplatz Ihres Mannes gibt. Entweder hat das Verschwinden Ihres Mannes etwas mit meinen Ermittlungen zu tun oder nicht. Deshalb frage ich: Trinkt er?«
    In diesem Moment war ein Schlüssel an der Haustür zu hören. Die Frau warf hastig einen Blick auf die Uhr. »Trine und Lene«, flüsterte sie und schrie dann zum Flur:
    »Ich bin hier!«
    Ihre Stimme brach. Das letzte Wort klang wie der Schrei einer waidwunden Möwe.
    Gunnarstranda ging den beiden Jugendlichen entgegen. »Vielleicht könnt ihr mir ein bisschen mehr über das Verschwinden eures Vaters erzählen.«
    Sie sahen ihn verständnislos an. Gunnarstranda stellte sich vor. »Ist was passiert?«, fragte die Jüngere nervös.
    Der Kriminalhauptkommissar überhörte die Frage, trat aber dichter an sie heran. »Ist dein Vater zum ersten Mal auf diese Weise verschwunden?«
    »Nein.« Sie zwinkerte unschuldig. Sie hatte blaue Augen, die sie leider von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie lagen nicht tief, sondern versteckten sich einfach in zwei Hautfalten links und rechts der Nase. Schweinsaugen.
    Ihre Mutter glitt vom Barhocker und strich nervös mit den Händen über den strammen Stoff ihres Rockes.
    »Wann ist er zuletzt auf diese Weise verschwunden?«
    »Sie haben ja Recht!«, unterbrach ihn die Frau, noch ehe die Tochter antworten konnte. »Egil kann nicht mit Alkohol umgehen.«
    »Warum trinkt er dann?«
    Zur Antwort zuckte sie mit den

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