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Tödliche Investitionen

Tödliche Investitionen

Titel: Tödliche Investitionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Partners’ Marketingchef in die Grüne Minna.

Einundzwanzig
    Sigurd Klavestad schlief unruhig. Er träumte von weißer Haut vor einem grauen Fenster, von Telefonen, die klingelten, ohne dass jemand sich meldete. Und er wusste, dass das alles ein Traum war. Wusste, dass er aufwachen und zu sich kommen musste, um das Gefühl der Unsicherheit loszuwerden, das diesen Traum so schrecklich machte. Deshalb gab er schließlich nach und riss die Augen auf.
    Als Erstes spürte er, wie sein Schweiß die Bettdecke kalt, etwas steif und unangenehm gemacht hatte. Aber er bewegte sich nicht. Lag einfach da und starrte in die Dunkelheit.
    Es war Nacht. Von draußen drang nur graues Licht herein. Die Nacht war schwach erleuchtet von Straßenlaternen. Wie viel Uhr es wohl sein mochte? Die Stille verriet ihm, dass es spät war. Nicht der geringste Verkehrslärm. Also musste es irgendwann zwischen zwei und halb fünf sein. Dann war es immer still. Wenn die Nachttaxis das Schlimmste hinter sich hatten und die ersten Schichtarbeiter noch nicht unterwegs waren.
    Es war immer schrecklich, mitten in einem Traum wach zu werden. Der Ruck, der durch den Körper ging. Das Gefühl, an einem unbekannten Ort zu fallen, ohne Kontrolle und unsicher, ob irgendwo in der Dunkelheit jemand stand, um einen aufzufangen.
    Er konnte sich nicht sofort bewegen. Aus irgendeinem Grund hatte er Angst, ein Geräusch zu machen. Angst, jemand könnte ihn hören. Idiotisch. Aber so war es immer schon gewesen. Schon als ganz kleines Kind hatte er geglaubt, dass nachts im Schrank ein Mann mit schwarzer Kapuze und erhobenem Schwert wartete. Ohne sich zu rühren, starrte er dann immer in die Finsternis, und seine Haut prickelte. Bis er entweder wieder einschlief oder sich überwinden und die Nachttischlampe einschalten konnte.
    Jetzt, wo er allein wohnte, wusste er zwar, dass es die Albträume seiner Kindheit waren, die ihn quälten, trotzdem hatte diese feuchte Steifheit seine Arme fesseln können. Auch dieses Mal.
    Endlich bewegte er sich. Hörte das leise Rascheln der Bettdecke und streckte die Hand nach der Lampe aus. Das Licht war schwach. Es konnte gerade die Ecken des Schlafzimmers beleuchten. Aber immerhin traute er sich, sich aufzusetzen und die Zigaretten vom Nachttisch zu nehmen. Es schmeckte nicht. Gleich nach dem ersten Zug bereute er es. Nicht, weil es nicht schmeckte, sondern weil er jetzt das Fenster aufmachen musste. Etwas hielt ihn davon ab, das Fenster aufzumachen. Er rauchte mit raschen, nervösen Bewegungen. Dachte an den verrückten alten Mann von gestern. An seinen düsteren Blick. Sicher ein Homo. Die Stadt wimmelte nur so von verrückten Schwulen, und meistens geriet er an sie. Das Gesicht des Alten hatte ihn an ein Gesicht von vor vielen Jahren erinnert. Daran, wie er einmal in der Straßenbahn gesessen hatte. Und dann tanzte plötzlich dieser Typ zur Tür herein und setzte sich auf die Bank gegenüber. »Komm mit mir zum Wichsen nach Hause, dann kriegst du tausend Kronen!«, hatte er gesagt. Das hatte dem Alten irgendwie auch im Gesicht gestanden. Es machte ihm Angst, wenn er sich überlegte, mit was für einer Art von Irrem er da eigentlich zu tun hatte. Solche Leute waren doch unberechenbar, verdammt noch mal, es war unmöglich zu wissen, wozu sie möglicherweise im Stande waren. Wie gestern. Als er sich umgedreht hatte und stehen geblieben war. Dieses schwammige Greisengesicht, das ihm entgegengestarrt hatte.
    Das Telefon klingelte.
    Das überraschte ihn nicht. Es war, als habe er darauf gewartet. Es hatte mit diesem alten Schwulen zu tun. Als wäre er aufgewacht, damit so etwas passieren konnte. Er steckte die Zigarette in den Mund und starrte das lärmende Telefon an und nahm ab. »Ja«, sagte er kurz und fast tonlos. Räusperte sich. »Ja«, wiederholte er.
    Kein Mucks am anderen Ende. Er drehte sich um und schaute auf die Uhr. Halb vier. Genau wie er getippt hatte.
    Aber dann wurde ihm kalt. Es war dieses Geräusch. Das hatte er schon einmal gehört. Jemand hatte den Hörer auf die Gabel geworfen. Einfach nur ein trockenes Klicken. Und dann Stille.
    Ein Kilo Blei senkte sich in seinen Bauch. Seine Beine lagen steif und gefühllos unter der Decke. Seine Gedanken standen still. Ihr Bild. Ihr verzweifeltes Lächeln, als sich niemand gemeldet hatte. Das Klicken im Hörer an jenem Morgen.
    Langsam legte er ebenfalls auf. Noch langsamer ließ er sich im Bett wieder zurücksinken. Er dachte an das Foto, das dieser kleine Polizist ihm

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