Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Investitionen

Tödliche Investitionen

Titel: Tödliche Investitionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
Vom Netzwerk:
Zurückhaltung.
    Der Mann war vom ersten Tag an bei Norsk Data angestellt gewesen. Gunnarstranda wusste, dass er sich irgendwo in der Mitte der Hierarchie befand. Und wo er nun schon einmal da war und also Wachstum, Stagnation und Schwierigkeiten überlebt hatte, musste er ziemlich wichtig sein. Heute sollte er noch einen Vortrag über »Die Zukunft norwegischer IT« halten, mit dem Untertitel: »Ein Abriss über Informationstechnologie, Norwegen und die EG.«
    Gunnarstranda war eine Audienz in der Pause bewilligt worden. Die Frau mit der quäkenden Stimme, die die Anrufe seines Schwagers annahm, hatte ihm erklärt, dass alle, die in der Branche Rang und Namen hätten, vertreten seien. Gunnarstranda fand das Lokal ein bisschen zu klein dafür. Andererseits hatte das Grand ja noch allerhand Räumlichkeiten, und vielleicht nahm die Branche ihre Kanapees anderswo ein.
    »Namen«, sagte sein Schwager.
    »Terje Engelsviken.«
    Der andere schaute auf, stellte seine Tasse ab, hob theatralisch die Hand und pustete, als ob er sich verbrannt hätte.
    Gunnarstranda wartete geduldig.
    »Hat an der TH in Trondheim studiert«, fuhr sein Schwager fort und griff wieder nach seiner Kaffeetasse. »Weißt du, die Generation von Akademikern, die beim ersten Bewerbungsgespräch mit Stirnband und Mao auf dem T-Shirt angetreten sind. Und den Job gekriegt haben. Engelsviken ist ein mittelmäßiger Ingenieur, der aus unerfindlichen Gründen um 1980 bei IBM war. Er hat dort nach zwei Jahren ganz plötzlich aufgehört. Angeblich, weil er sich selbstständig machen wollte.«
    Die Kellnerin brachte den Kaffee. Der Schwager legte eine Pause ein, während sie ihr Tablett leerte. Erst als sie sich entfernt hatte, fuhr er fort: »Inoffiziell ist Engelsviken ein faules Ei.«
    »Erzähl.«
    »Sein Gehalt bei IBM war ihm wohl nicht hoch genug.«
    »Unterschlagung?«
    »Nein, Engelsviken hat noch an zwei anderen Stellen Gehalt bezogen.« Der Schwager zwinkerte. »Also hat er IBM lieber verlassen.« Gunnarstranda begriff, dass »IBM verlassen« doppeldeutig war.
    »Danach hat er sich selbstständig gemacht«, fuhr der Schwager fort. »In den achtziger Jahren, als die Banken Geld für ein Säugetier gehalten haben, das lebendige Junge wirft, wenn ein Betrieb, der ein Darlehen braucht, sein Projekt nur in ausreichenden Fremdwörtern verpackt hatte.«
    Gunnarstranda sah sich um und zog eine Zigarette aus der Tasche. Drehte sie zwischen den Fingern hin und her und fragte:
    »Kennst du ihn?«
    »Bin ihm nur einmal begegnet.«
    »Was ist das für ein Typ?«
    Der andere überlegte kurz. »Engelsviken hat das alte Problem, den Verhältnissen entsprechend zu leben«, meinte er dann. »Hast du noch nicht mit ihm gesprochen?«
    »Nein, ich habe bloß gehört, dass seine Frau sich nicht gerade darum bemüht, ihren Wohlstand zu verstecken.«
    »Mm, First Class. Er aber nicht. Er ist ein Exzentriker. Trinkt gern mal einen. Es gibt eine Geschichte über Engelsviken. Aus der Zeit, als er in die Branche eingestiegen ist.«
    Er stellte die Tasse mit einem kleinen Klirren auf der Untertasse ab und wischte sich mit einer Serviette über die Lippen. »Die Firma lief nicht besonders gut«, begann er. »Aber das konnte unmöglich am Verkauf liegen. Verstehst du, das war zu Beginn der 80er Jahre, als die PCs neu waren und kräftig unters Volk gebracht wurden. Damals wollten alle Betriebe ihre Gehaltslisten und Rechnungen per Computer laufen lassen.«
    Gunnarstranda lehnte sich zurück und lauschte der zischenden Stimme seines Schwagers. Erfuhr von Engelsvikens Firma, die wie bescheuert verkauft hatte, ohne ihre Rechnungen zu bezahlen. »Sie schwammen geradezu in Schulden«, erzählte der Schwager. »Die Gläubiger wollten schließlich den Konkurs.«
    Er hob wieder seine Tasse und trank aus.
    Gunnarstranda räusperte sich. »Sie haben wie bescheuert verkauft, aber keine Rechnungen bezahlt?«
    Sein Schwager breitete die Arme aus und grinste. »Sie saßen oben in Brekke. Ich bin einmal da gewesen. Das eine Mal, als ich mit ihm gesprochen habe.«
    Der Mann blickte nachdenklich in den Saal. »Der Laden war unglaublich aufgeblasen. Teppiche und Chesterfieldmöbel in der Kantine. Warenlager und Garage im Untergeschoss.«
    Der Schwager schien über Einzelheiten recht gut informiert zu sein. Jedenfalls wusste er, dass der LKW der Firma mitten im Winter nur abgefahrene Sommerreifen gehabt hatte. Und er wusste, wie an diesem Tag das Wetter gewesen war. »Es war Ende des Jahres, November

Weitere Kostenlose Bücher