Toedliche Luegen
Verlangen in jeder Faser ihres Körpers spürte.
Und die Hand nach der rabenschwarzen Strähne ausstreckte.
Das Herz schlug ihr vor Aufregung bis zum Hals und sie spürte, wie trotz der Kälte feine Schweißperlen auf ihre Oberlippe traten. Hektisch wischte sie mit dem Handrücken darüber, holte mehrmals tief Luft und drückte schließlich auf den Klingelknopf.
„Hoffentlich ist sie zu Hause.“
„Wo sollte sie sonst sein?“
„Woher soll ich das wissen? Sie könnte … irgendwo sein.“
„ Du hast gelesen, dass die Überlebenden der ‚Fritz Stoltz’ vor vier Tagen in ihre Heimatorte gebracht worden sind. Und ich halte es für unwahrscheinlich, dass einer von ihnen schon wieder aufgestiegen ist.“
„Und warum hat sie dann nicht geschrieben, hä? Sie hätte doch längst angerufen, wenn sie wirklich zu Hause wäre.“
Alain spürte eine eiskalte Hand, die sich zwischen seine Finger schob , in seinen Augen zweifelsfrei ein Zeichen für Beates Suche nach Zuspruch und Geborgenheit. Und das bei ihm!
Und es fühlte sich gut und richtig an, dass er ihre Hand hielt und sie wärmte. Sie passten zusammen. Es musste einfach so sein.
„Das wirst du Suse gleich selbst fragen“, versuchte er sie zu beruhigen. Sein Daumen strich besänftigend über ihren rasenden Puls.
„Ich hätte sie vorher anrufen und vorwarnen sollen“, knurrte sie verstimmt, weil ihr klar war, dass sie sich fast nie dafür entschied, das Richtige zu tun. „Sie ist nicht da. Ich hab’s doch gewusst! Sie … ist … nicht … da!“
„Ganz ruhig, Bea. Immer mit der Ruhe. Versuch es noch einmal.“
Einen Wimpernschlag später sprang die Tür wie von Geisterhand auf und ein wohltönender Tenor drang aus dem Dunkel des Hauses: „Keine Panik, Leute! Bin schon unterwegs!“
Noch ehe sich der Rufer blicken ließ, machte sich Beate mit einem Ruck von Alain los und stieß die Tür ganz auf.
„Jan, bist du das? Jasdan?“
„Blöde Frage! Wen hast du sonst erwartet?“
Ein junger Mann mit strohblondem Haar kam um die Ecke geschossen und riss Beate ohne Vorwar nung in seine Arme. „Meine Güte, Bea! Du! Wo kommst du denn her, mein Goldstück? Mein kleiner Engel!“ Ein dicker Schmatz landete mitten auf ihrem Mund. „Heiliger Bimbam! Und wie groß du geworden bist.“
Der Blondschopf hielt Beate an den Schultern gefasst und schob sie ein Stück von sich, um si e genauer betrachten zu können. „Ich meine natürlich: Wow! Aus dir ist eine richtige Dame geworden. Gut siehst du aus. Also, wirklich, einfach zauberhaft. Und dabei hatte ich mir eingebildet, mich könnte nichts mehr überraschen. Du dagegen schaffst es immer wieder.“
I n diesem Moment wurde ihm sein eigener abgerissener Aufzug bewusst. Vor der Haustür stand seine Traumfrau und er sah aus wie das ungemachte Bett, in dem er sich tatsächlich noch bis vor wenigen Sekunden gelümmelt hatte. Unbehaglich verlagerte Jasdan sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Seine Miene verfinsterte sich, als er den Fremden neben Beate nicht länger ignorieren konnte. Mit einem seiner Killer-Blicke maß er den ellenlangen Schönling in den eleganten Klamotten, die ihm auf den durchtrainierten Körper geschneidert schienen. In den Augen eines liebesbedürftigen, arglosen Mädchens wie Beate galt diese miese Wanze vermutlich als attraktiver Mann. Tiefblaue Augen – er tippte auf Kontaktlinsen – und glänzendes, nachtschwarzes Haar. Mmmh, wie aufregend! Wirklich herzallerliebst. Ein schmales, ausdrucksstarkes Gesicht, das nicht der kleinste Makel verunstaltete.
Bis jetzt , knurrte Jasdan und seine gute Laune schrumpfte augenblicklich auf die Größe einer Stecknadelspitze. Was er da sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Beate ließ sich von den sichtbar aufgestellten Stacheln ihres Freundes nicht beeindrucken, sondern legte ihm die Arme um den Hals und küsste ihn auf die unrasierte Wange.
Die vertrauliche Szene, die sich zwischen Beate und diesem Wicht abspielte, versetzte Alain einen Schlag in die Magengrube. Es war unwichtig, dass die Wiedersehensfreude sie zu derartigen Gefühlsausbrüchen ermuntert haben mochte. Es spielte keine Rolle, dass sie mitten auf der Straße standen und schwerlich schon hier übereinander herfallen konnten. Ihm genügte, dass sie ihn wie Luft behandelten! Er hätte genauso gut ein Teil des Straßenbelages sein können, so groß war die Beachtung, die ihm diese beiden schenkten. Ein Muskelstrang zuckte in seiner Wange, derart fest biss er die Zähne
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