Toedliche Luegen
Freunden? Was hatte es zu bedeuten, dass sie ihn von diesem entscheidenden Teil ihres Lebens ausschloss? Da war einmal der mysteriöse Verkehrsunfall, bei dem eine Freundin getötet worden war. Oder Karo, die Mutter von Zwillingen, von der Beate seit Wochen nichts mehr gehört hatte. Und dann dieses Schiffsunglück im Atlantik, bei dem eine andere Freundin knapp dem Tod entkommen war. Jedes Wort hatte er Beate einzeln abbetteln müssen, bis er sich endlich zusammenreimen konnte, was passiert war und was diese Mädchen für sie bedeuteten.
Was würde er als Nächstes erfahren, das vielleicht sogar Beate selbst betraf? Er wusste nichts von ihrem Leben vor der Zeit in Paris.
Er rieb sich zerstreut die Schläfe, ohne sich dessen bewusst zu sein , bis ihn eine andere Erkenntnis wie ein Blitzschlag mitten ins Herz traf und er zusammenzuckte. Sie vertraute ihm nicht! Sie hatte nicht vor, ihn an ihrem Leben teilhaben zu lassen und aus diesem Grund erzählte sie ihm weder von ihrer Familie noch von ihren Freunden. Hatte sie etwa noch immer Angst vor ihm? Nein, das war es bestimmt nicht. Denn dann würde sie wohl kaum mit ihm gemeinsam nach Deutschland fahren.
Alain schlug sich an die Stirn und nahm einen weiteren Schluck Whiskey, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Er hatte Beate doch gar keine andere Wahl gelassen. Ohne ihre Zustimmung hatte er den Flug und das Hotel gebucht und Pierre von ihrem Vorhaben unterrichtet. Allzu viel Protest von ihr hätte möglicherweise seinen Argwohn heraufbeschworen. Und so hatte Beate kurzerhand Pierre als Hinderungsgrund angeführt.
Was würde er noch alles falsch machen, ehe er entweder in eine Katastrophe schlitterte oder endlich zu Vernunft kam?
2 4. Kapitel
Sämtliche Zweifel, die Alain eine schlaflose Nacht lang geplagt hatten, verflogen, als Beate am nächsten Morgen gestiefelt und gespornt die Küche betrat, wo bereits der gedeckte Frühstückstisch auf sie wartete. Wie eine zärtliche Umarmung hüllte sie der Duft von frischem Kaffee ein und zauberte ein Lächeln auf ihr vom Schlaf zerknautschtes Gesicht.
Einem lebensrettenden Instinkt folgend zog Alain den Kopf ein, als sie wie eine Rakete auf ihn zugeschossen kam, sich seine volle Tasse schnappte und mit geschlossenen Augen das Aroma des Kaffees genoss. „Ich vergebe dir“, stieß sie atemlos hervor.
„Du vergibst mir?“, wiederholte er verwirrt und starrte verdutzt von seiner leeren Hand zu Beate und wieder zurück. „Was denn?“
„Einfach alles. Für diesen deinen Kaffee erteile ich dir Absolution für das, was du gesagt und getan hast oder noch sagen und tun wirst. Bis in alle Ewigkeit, wenn es sein muss.“
Eine rabenschwarze Augenbraue zuckte in die Höhe, gerade so als würde Alain in Gedanken durchgehen, welch ungeahnte Möglichkeiten ihm dieses Bekenntnis eröffnete. Er beobachtete, wie Beate andächtig die Tasse an ihre Lippen hob und den ersten Schluck Kaffee kostete.
„So großzügig heute? Und es ist bestimmt alles in Ordnung mit dir?“
Ihm wurde immer wärmer, während er das Flattern ihrer Lider genoss, die leichte Röte ihrer Wangen, die dunkler werdenden Augen, Reaktionen ähnlich der, die eine Frau unter den Händen eines erfahrenen, einfühlsamen Mannes zeigte. Seine Skepsis machte einer tiefen Sehnsucht Platz, die sich in seinem Herzen ausdehnte wie ein Luftballon. Würde sie seine Küsse auf ebensolche Weise genießen? Würde sie die Lider senken, bis sie nichts mehr um sich herum wahrnahm, was nicht sie und ihn berührte, und leise Seufzer der Zufriedenheit von sich geben? Eines Tages?
„Jetzt schon.“ Sie stöhnte voll Seligkeit und schenkte Alain einen verklärten Blick. „Gütiger Himmel, für einen solchen Kaffee könnte ich morden. Es ist mir ein Rätsel, wie manche Menschen ohne Koffein auch nur einen halbwegs zusammenhängenden Satz am frühen Morgen zustande bringen. Den habe ich jetzt echt gebraucht.“
„Ich auch“, murmelte er und stieß erleichtert die angehaltene Luft aus. „Und … er schmeckt dir … wirklich?“
Sie feixte, als seine dichten Augenbrauen erneut beunruhigt nach oben schossen und er gleichzeitig ein Stück zur Seite rückte.
„ Wow! Kriegt Superman etwa kalte Füße? Das muss ich mir für die Zukunft merken.“
„ Für wessen Zukunft?“, erkundigte er sich mit gespieltem Gleichmut. Doch unter gesenkten Lidern verfolgte er gespannt wie eine Bogensehne, wie Beate eine zweite Tasse aus dem Küchenschrank nahm und Kaffee einschenkte. Er
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