Toedliche Luegen
wartete auf eine Reaktion auf seine Frage. Und wartete.
Bis zu diesem Punkt seines erfolgsverwöhnten Lebens hatte er sich für relativ unverwundbar gehalten. Welche Ironie des Schicksals, dass es ausgerechnet dieser Frau gelungen war, seine Gefühlswelt nachhaltig zu erschüttern. Ausgerechnet die, die er nie würde haben können.
Für unsere Zukunft. Sag es, Bea!
Aber sie blieb stumm, überging seine Frage kommentarlos, als hätte sie sie nicht gehört. Er schluckte betreten. Beate wollte nichts davon hören. Sie wollte nichts von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm wissen! Wie sollte sie auch, hatte er bisher doch nichts getan, um sie von seinen Vorzügen zu überzeugen – so er überhaupt welche fand, die sie gelten lassen würde. Er brauchte mehr Zeit. Zeit, damit sie Vertrauen zu ihm fassen konnte.
„Das ist jetzt bereits das zweite Mal, dass du für mich ein Frühstück zubereitet hast.“
„Julie hat ihren freien Tag und mir bricht kein Zacken aus der Krone, wenn ich mich in die Küche stelle “, blaffte er.
„ He, was soll denn das? Verrätst du mir, was dich so sauer macht?“
Er atmete tief durch. Seit fast vierundzwanzig Stunden ging in ihm alles drunter und drüber und das nur wegen dieser zauberhaften, mitunter anstrengenden, aber immer liebenswerten Person. Es hatte mit dem Kuss angefangen. Nein, schon viel früher, dachte er grimmig. Als er sich im Krankenbett ausgemalt und davon geträumt hatte, wie sich ihre Lippen unter seinen anfühlen würden. Und natürlich war das nicht genug gewesen. Nicht annähernd genug. Es war ihm recht gut gelungen, am vergangenen Nachmittag eine gewisse Gelassenheit zur Schau zu stellen. In der Nacht allerdings war er ganz allein mit seinen Fantasien gewesen.
Und er hatte eine überaus lebhafte Fantasie.
„Ich bin schlecht gelaunt, weil ich letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen habe“, antwortete er schließlich, ohne direkt zu lügen.
„Ach.“ Sie schien überrascht zu sein von der Einfachheit seiner Erklärung. Sie öffnete den Mund, als wollte sie nachfragen, schwieg dann jedoch.
Besser für sie, dachte er gereizt. Denn wenn sie auch bloß ein vages Interesse daran zeigte, warum er nicht gut geschlafen hatte, dann, so schwor er sich, würde er ihr den Grund nennen. Dann würde er ihr all seine Träume bis in die letzte Einzelheit beschreiben.
„Verzeihst du mir, wenn ich dir frischen Kaffee koche? “, erkundigte er sich mit leicht verrutschtem Lächeln. Es wäre ungerecht, ihr die Schuld an seiner miesen Laune zu geben. „Ich mache es gerne.“
„Du machst gerne das Frühstück für mich“, wiederholte sie nachdenklich und setzte sich zu ihm an den Tisch.
„Da ist wirklich nichts dabei. Ich zerfalle deswegen nicht gleich zu Staub und Asche, wenn du das befürchtest. Es ist n ichts als ein Frühstück und immerhin profitiere ich ebenfalls davon. Hunger macht böse.“
„Ich erwähne das lediglich wegen des Protokolls: Mir hat noch nie ein Mann Frühstück vorgesetzt, du dagegen machst es gerne.“
A uch sie hatte bisher nichts Derartiges getan, weil in ihren Augen ein gemeinsames Frühstück etwas viel Intimeres, Vertrauteres an sich hatte als das sexuelle Beisammensein. Ein gemeinsames Frühstück ging wesentlich tiefer.
„Und was soll das heißen?“
Gute Frage. Um das herauszufinden, hätte sie in dieser Sekunde ein Vermögen gegeben. Wollte er sie gnädig stimmen für die bevorstehende Reise? Oder traute er ihr nicht zu, Kaffee und Frühstücksei zuzubereiten?
Oder war es etwas vollkommen anderes? Hatte etwa auch er dieses unerklärliche Bedürfnis, den Alltag mit ihr zu teilen und nicht nur die Nächte?
Herr, sch meiß Hirn vom Himmel! Was redete sie da?
Sie spürte, wie ihre Ohren zu glühen begannen und die Röte ihren Hals nach oben kroch, um ihr Gesicht zu überfluten. Ihr fiel die Strähne auf, die sich aus dem Lederband gelöst hatte und jetzt auf Alains breiter Brust lag. Beate musste ihre merkwürdigen Anwandlungen arg bezwingen, um die widerspenstigen Haare nicht zu berühren, die Hand unter sein Hemd zu schieben und das Gefühl seidiger Haut über eisernen Muskeln zu genießen. Ja, sie wollte die Nächte mit ihm teilen und den Morgen danach, ein gemeinsames Frühstück und den Alltag und noch viel mehr.
Sie schob diese unpassenden Gedanken von sich – allerdings nicht schnell genug. Einmal geboren, wuchsen und gediehen sie prächtig und breiteten sich mit einer Selbstverständlichkeit in Beate aus, bis sie das
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