Toedliche Luegen
einer ihrer Freundinnen und einer Kanne tierisch starken Kaffees der Marke „Mädchen-Mörder“ auf dem kuschelweichen Teppich niedergelassen hätte. Nach den ersten Schlucken, die traditionsgemäß in andächtigem Schweigen geschlürft wurden, wären sie in eine endlos lange Diskussion über Gott und die Welt versunken und hätten sich dabei allen Frust von der Seele geredet.
Beate seufzte abgrundtief und wischte sich heimlich über die brennenden Augen. Ob sie hier finden würde, was sie in Deutschland verloren hatte?
Eine Stunde später hatte sie sich unter der Du sche den Reisestaub und ihre trüben Gedanken abgewaschen. Nach einigen Irrwegen landete sie schließlich wohlbehalten im Erdgeschoss, wo sie sich über den von Juliette bereiteten Imbiss hermachte.
Mit einem genussvollen Geräusch schob sie sich den letzten Bissen in den Mund und kaute andächtig bis zum Schluss. Gesättigt und zufrieden lächelnd lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Hände im Nacken. Als hätte Juliette allein auf dieses Zeichen gewartet, kam sie mit einem schnurlosen Telefon in der Hand ins Esszimmer.
„ Entschuldigen Sie, Mademoiselle. Monsieur Germeaux ist am Apparat. Er bittet darum, mit Ihnen sprechen zu dürfen.“
Es dauerte geraume Zeit, bis Beate sein schlechtes Gewissen wegen seiner Abwesenheit an diesem bedeutsamen Tag beruhigen konnte. Am Ende war sie schweißgebadet, ehe es ihr in einem ziemlich heftigen Ton gelang, ihn davon abzuhalten, sich sofort in seinen Firmen-Jet zu setzen, um sie wenigstens daheim persönlich zu begrüßen.
„Nun mal sachte, Pierre. Es ist meine Schuld, dass ich das Telegramm zu spät abgeschickt habe oder an die falsche Adresse oder was weiß ich , wie das passieren konnte. Das ist leider nicht mehr nachvollziehbar und ändert nichts an der Tatsache, dass du beschäftigt bist. Juliette sorgt sich rührend um mich, sodass es mir an rein gar nichts fehlt“, besänftigte sie ihren Vater. „Ich werde heute noch einen Spaziergang die Straße hoch und wieder hinunter machen und dann zeitig zu Bett gehen. Diese Hitze und die lange Anreise haben mich vollkommen geschafft. Und dein Anwesen ist dermaßen riesig, dass ich allein für den wundervollen Garten einen ganzen Tag benötigen werde, um mir alles anzuschauen.“
Sie lächelte vor sich hin. Dieser Mann hatte nie Gelegenheit gehabt , sich um sein Kind zu sorgen, und nun vergaß er offenbar, dass die Zeit nicht stehengeblieben war und „ la poupée “ längst eigene Wege ging.
„ Ma chérie , bitte gib auf dich acht. Paris ist groß und hektisch und ich möchte nicht, dass du dich allein in die Stadt wagst. Lass dir Zeit mit dem Kennenlernen. Am besten wäre natürlich, wenn du während der ersten Tage auf einen kundigen Führer nicht verzichten und mit einem Spaziergang warten würdest, bis ich zurück bin.“
„ Ich könnte ja Alain bitten … Den hätte ich fast vergessen. Um ehrlich zu sein, ich habe ihn bislang gar nicht zu Gesicht bekommen. Sicher ist er unterwegs, arbeiten oder … entschuldige, studieren selbstverständlich. Ich werde Juliette fragen, wo er steckt.“
Beates u nbekümmert daher geplapperte Worte entfachten in Pierre Germeaux einmal mehr flammenden Zorn auf den Adoptivsohn seines Vaters. Er hatte den alten Germeaux nie übermäßig geliebt, als er allerdings nach dessen Tod nicht bloß das Vermögen, sondern ebenfalls die Verantwortung für den damals noch minderjährigen Alain „erbte“, hatte er Henri Germeaux gehasst. Es war mehr als zwanzig Jahre her, doch bis zum heutigen Tag hatte Pierre weder seinen Frieden mit der Entscheidung von Henri Germeaux gemacht, noch Alains Daseinsberechtigung akzeptiert.
„Mach dir keine Gedanken um mich, Pierre. Wir sehen uns wie geplant am Donnerstag. Ich kann es gar nicht erwarten und freue mich darauf.“
7. Kapitel
A müsiert verdrehte Beate die Augen, als sie die steil nach oben führende Treppe musterte. Diese sah aus wie der Niedergang des Schiffes, auf dem Answer während der vergangenen Semesterferien fahren durfte, stellte sie fest. Er hatte ihr damals einen Besucherschein für den Überseehafen besorgt, sodass sie ebenfalls eine Nacht an Bord verbringen konnte. Großer Gott, aber was für eine Nacht!
Sie grinste nur so lange, bis ihre Finger instinktiv nach dem Handlauf tasteten, um sich daran festzuklammern. Sie kam sich ungeheuer töricht vor bei der Vorstellung, der Holzboden unter ihr könnte tatsächlich jede Sekunde
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